Kate Moss wäre so wahrscheinlich nicht mal zum Rauchen auf den Balkon gegangen, aber Moss gehört zur »work hard, play hard«-Generation X, der zwischen Mitte der Sechziger bis Anfang der Achtziger Geborenen. Da war empfindliches Zartrosa irgendwie kein Thema. Das neue Supermodel Giga Hadid, Jahrgang 1995, hingegen ist ein waschechter »Millennial« und als sie am Montag zarte 22 wurde, zog sie sich natürlich nicht irgendetwas an - an Ehrentagen wird man ja noch mal mehr von den Paparazzi beehrt - sondern trug entsprechend einen Mantel und Gucci-Slipper in: Millennial Pink.
Der Begriff geistert bereits seit ein paar Monaten als Übertrend durch die Magazine, obwohl der Name keineswegs von einer offiziellen Pantone-Farbe stammt. Der amerikanische Farbsystemanbieter hat dieses Jahr allerdings ein »Pale Dogwood« im Programm, was im Grunde genauso aussieht. Häufiger fällt auch der Begriff »Tumblr Pink«, was die Sache nicht übersichtlicher macht. Also noch einmal kurz zusammengefasst: Gemeint ist kein Barbie-Pink, sondern eines, dem man offensichtlich alle Blauanteile entnommen und dafür einen dieser weichen Instagramfilter draufgelegt hat. Ein pastelliges Rosa, irgendwo zwischen Pfingstrosen und Fleischwurst angesiedelt, das eben besonders gut in der jungen Zielgruppe der 18- bis 35-Jährigen ankommt.
Belege, dass die Farbe »da« ist, gibt es genug. Bei den Schauen für dieses Frühjahr war gefühlt auf jedem zweiten Laufsteg mehr oder weniger zartes Rosa vertreten, von Céline über Balenciaga bis zu Rihannas Fenty x Puma, wo der Stoffeinkauf quasi auf diese eine Farbe reduziert wurde. Interessanter allerdings ist, warum der Trend-Ton nicht wie all die anderen »Honeysuckles«, »Aqua Skys« oder »Tigerlilys« schnell wieder verschwindet. Auf dem vor kurzem zu Ende gegangenen Salone del Mobile in Mailand war eines der auffälligsten Themen erneut: Millennial Pink. Ein zartrosa Bett mit passenden Palmblättern darüber, »Le Refuge« von Marc Ange, war das am meisten gepostete Bild.
Weil Millennial Pink gewissermaßen ein »Post Pink« ist und deshalb so wunderbar in unsere postfaktische Welt passt. Es hat die alte Geschlechtertrennung hinter sich gelassen und wird sowohl von Frauen wie auch von Männern getragen; jedenfalls von den Jungen, die Gucci und Burberry anziehen oder bei Acne Studios, der Marke mit den rosa Tüten einkaufen. Millennial Pink ist also ein klares Zeichen für Post Gender (und deshalb bitte nicht zu verwechseln mit dem »Pussy Hat«, das vorzugsweise in old school Pussy Pink daherkommt.) Obendrein ist es gewissermaßen postironisch, weil es nicht mehr der Ausrede bedarf, man zitiere hier lediglich die Neunziger Ikone Molly Ringwald in »Pretty in Pink« oder Paris Hilton's Juicy-Couture-Strampler. Auf Rosa können sich auch so gerade alle einigen.
Millennial Pink ist die Stimmung einer Zeit, in der auf den Internetposts alles hübsch, likeable und weich daherkommen soll, weswegen man im so genannten wirklichen Leben vor allem an irgendeinem Bildschirm klebt, sich folglich nur höchst selten schmutzig macht. Überflüssig zu erwähnen, welche Farbe die Perücke von Gigi Hadid hatte, mit der sie später am Tag mit ihrer Modelfreundin Karlie Kloss für Instagram-Fotos herumalberte. Nur die Geburtstagsblumen vom Morgen, die passten natürlich überhaupt nicht ins Bild. Die gehen eher in Richtung kräftiges »Fuchsia Rose«, der Pantone-Farbe 2001. Müssen von einem späten Generation-X-Verehrer sein.
Typischer Instagram-Kommentar: Sieht für mich trotzdem aus wie Schweinchenrosa.
Das sagt der Architektur-Fan: Den Ton hat Ricardo Bofill schon 1973 bei seinem Häuserblock »La Muralla Roja« in Calpe benutzt.
Das sagt der aufmerksame Leser: Habe ich irgendwo schon mal gehört.
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