Der bessere Sport

Frauenfußball ist zu langsam, zu langweilig, zu amateurhaft? Macht nichts, bald kicken ja endlich wieder die Männer. Endlich? Nein. Zehn Gründe, warum ich die Frauenfußball-WM vermissen werde.

1. Es spielen auch mal andere Teams mit
Im Männerfußball treffen mit ermüdender Regelmäßigkeit immer wieder die gleichen Teams aufeinander. Dann packen Spieler und Kommentatoren pflichtbewusst Klischees aus: die brasilianischen Ballzauberer, die englischen Erzfeinde. Das ist bei den Frauen zum Glück anders. Hier steht Newcomer Japan mit seinen winzigen Spielerinnen überraschend im Finale gegen die USA, die zwar bei Frauen bekannt sind, im Männerfußball jedoch nicht vorkommen. So sieht man endlich mal neue Gesichter und hört neue Geschichten.

2 Ein Weltstar, der hält, was er verspricht
Die Brasilianerin Marta, der einzige internationale Star des post-prinzschen Frauenfußballs, spielte bei dieser WM durchgängig überragend. Selbst dann, wenn ein ganzes Stadion sie auspfiff. Ihre männlichen Pendants Lionel Messi und Cristiano Ronaldo hingegen wurden zwar vor der Männer-WM gehypt, enttäuschten dann jedoch durch Mittelmaß.

3. Frauen spielen nicht dauernd den sterbenden Schwan
Fußballerinnen winden sich nicht nach jedem Stupser mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen und schielen nach dem Schiri. Dadurch ist im Frauenfußball jede Unterbrechung im Schnitt 30 Sekunden kürzer als bei den Männern, das Spiel also intensiver. Eine unrühmliche Ausnahme ist die Brasilianerin Erika, die sich im Spiel gegen die USA erst schwer verletzt gab, um den Sanitätern dann locker von der Trage zu hüpfen. Kein Wunder: Ihr wird nachgesagt, männliches Verhalten zu imitieren.

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4. Fußballerinnen kennen ein Leben außerhalb des Sports
Zwar verdienen Frauen nicht so viel wie männliche Profis, die von klein auf tagein tagaus nur Fußball spielen. Aber dafür beschränkt sich ihr Horizont auch nicht auf siebentausend Quadratmeter. Fußballerinen arbeiten und kennen das normale Leben fernab von Blitzlichtern und Werbeverträgen. Kerstin Garefrekes etwa feierte 2003 mit tausenden Fans den WM-Titel – und musste am nächsten Tag wieder beim Sozialamt Akten wälzen. Das erdet – und macht die Frauen authentischer.

5. Es gibt keine nervigen Spielerfrauen
Bei der Männer-WM schwenkt die Kamera alle paar Minuten auf die Spielerfrauen rund um Schweinis Sarah Brandner, die als dekorative Maskottchen am Rand sitzen. Sie machen einen Fußballer erst richtig attraktiv – scheinbar. Fußballerinnen kommen hingegen ohne Spielermänner (Oder sind es Spielerinnenmänner? Spielerinnenfrauen?) im Rampenlicht aus.

6. Lesbische Fußballerinnen müssen sich nicht verstecken
Vielleicht liegt es daran, dass Männer die Vorstellung von zwei Frauen attraktiv finden. Ein typischer Männerfantasie-Fall war die Dreieraffäre zwischen Inka Grings, Linda Bresonik und dem damaligen Trainer Holger Fach, die vielerorts genüsslich ausgebreitet wurde. Sensationsgeil? Vielleicht. Aber diskriminierend? Nein. Als die zweite Torhüterin der Deutschen, Ursula Holl, dann 2010 ihre Lebensgefährtin heiratete, spendierte die sonst nicht allzu liberale Bild-Zeitung eine ganze Seite. Tenor: das neue Sommermärchen. Als Mann hingegen, sagte Holl dem Boulevardblatt, hätte sie sich nicht geoutet. Aus Angst.

7. Steffi Jones ist der bessere Beckenbauer
Jones, das sympathische Gesicht dieser Frauen-WM, fühlt sich im Gegensatz zu Franz Beckenbauer 2006 nur dem Fußball verpflichtet. Sie feiert und trauert mit den Fans auf der Fanmeile, anstatt sich wie Beckenbauer im gesponserten Hubschrauber von Stadion zu Stadion fliegen zu lassen. Außerdem hat sie bislang nicht durch Affären oder uneheliche Kinder auf sich aufmerksam gemacht.

8. Im Frauenfußball gibt es noch echte Emotionen
Wenn männliche Fußballer auf der großen Bühne ankommen, haben sie jahrelangen Drill hinter sich, Sportinternate, Medientraining. Schießt einer ein Tor, dann zieht er eine One-Man-Show mit Fäuste-Ballen, Salto-Springen und dem ganzen Tamtam ab – natürlich in Richtung Kamera. Beim anschließenden Interview gibt er dann weichgespülte Plattitüden von sich. Nicht so die medienunerfahrenen Fußballerinnen. Als die deutsche Frauschaft gegen Japan verloren hatte, saßen die Spielerinnen einfach auf dem Rasen und weinten, 30 Minuten lang. Selbst danach im Interview waren sie noch den Tränen nahe, versuchten zu verstehen, nicht zu posen.

9. Endlich gibt’s mal neue Moderatorenduos
Kerner und Kahn, Beckmann und Scholl – die will doch keiner mehr sehen. Deren Floskeln kann jeder Zuschauer vorm Fernseher ohnehin bereits auswendig. Da erfrischen die Exfußballerinnen Nia Künzer und Silke Rottenberg, die 2003 bzw. 2007 für Deutschland den WM-Titel holten und noch nah am Geschehen sind.

10. Fußballerinnen kämpfen nur auf dem Platz als Feinde
Das Private können sie gut davon trennen. Immerhin haben die gegnerischen Teams vor jedem Spiel gemeinsam in einem Hotel übernachtet und sind sich beim Frühstück freundlich grüßend über den Weg gelaufen. Das ist echter Sportsgeist. Man stelle sich hingegen die englische und die deutsche Männermannschaft plaudernd am Frühstückstisch vor. Undenkbar.

Foto: DPA