Männer, die Frauenfußball sehen, sagen gerne: „Ach komm, da könnte ich locker mitspielen.“ (Oder wie in der gestrigen Kolumne ein 13-jähriger Junge sagte: "Da hätte ich ja besser geschossen!")
Dazu zwei Bemerkungen: Erstens, ich spiele seit Jahren in einer Freizeitliga, darum weiß ich, wie erbärmlich der durchschnittliche deutsche Mann Fußball spielt - und wie wenig elegant oder gar dynamisch er dabei aussieht. (Als Spieler auf dem Platz dagegen hat man das Gefühl Teil einer hochklassigen Partie zu sein.) Zweitens, ich habe selber einmal gegen Frauen Fußball gespielt, 90 Minuten lang, mit Schiedsrichter und allem drum und dran. Wie das war und wer gewonnen hat, erzähle ich Ihnen jetzt:
Die Mannschaften
An der Deutschen Journalistenschule in München wurde vor einigen Jahren in einer Rundmail gefragt, wer Lust hätte gegen die Mannschaft des FFC Wacker München zu spielen. FFC steht für Frauen Fußball Club und Wacker spielte zu der Zeit in der Regionalliga, also der dritthöchsten Liga im Frauenfußball, am Ende der Saison sollte die Mannschaft in die Zweite Liga aufsteigen.
Kurz darauf standen sich zwei ungleiche Teams gegenüber: In weißen T-Shirts (die jeder selber mitbrachte) und variierenden kurzen Hosen traten wir Jungs von der Journalistenschule an. Jeder hatte mal in einem Verein gespielt, bei den meisten war das schon etwas her. Ambitionierte Hobbyfußballer, deren Aufwärmen hauptsächlich aus Ratschen, einigen Schussversuchen Richtung Tor und Wetten auf den Spielausgang ("das verlieren wir 0:10") bestand. Auf der anderen Spielhälfte lief sich der FFC Wacker warm. In Fünfergruppen, mit kurzen Sprints, unter dem strengen Blick eines ehrgeizig wirkenden Trainers. Es sah nicht danach aus, dass der FFC viel Mitleid mit uns haben würde.
Das Spiel
Weil ich in der Jugend lange Verteidiger gespielt hatte, wurde ich (1,92 Meter Körpergröße) mit der Manndeckung (nennt man halt so) der Mittelstürmerin des FFC beauftragt (geschätzt 1,67 Meter klein). Angeblich eine schweizer Nationalspielerin. Oh. Wenn die etwas vom Dribbeln verstand, konnte ich einpacken. Die erste Flanke in unsere Richtung: Ich rannte los so schnell es ging und war tatsächlich vor der Stürmerin am Ball. Der zweite lange Pass aus dem Mittelfeld auf meine Gegenspielerin: Wieder sprinteten wir gleichzeitig los, wieder kam ich als Erster an den Ball. Eben noch Ellenbogen und Po raus beim Abschirmen des Spielballs, die zierliche Gegnerin war machtlos, ich passte flach weiter zum Mitspieler. Situation geklärt.
Seltsam. Ich hatte zu der Zeit Samstags immer im Englischen Garten gekickt und unter der Woche ab und an in der Münchner "Royal Bavarian Freizeitliga" gespielt, mit einer Truppe namens Isarwühler, der Name sollte lustig klingen, war aber vor allem eine passende Beschreibung für unser Spielniveau. Dazu die Erfahrung aus etwa zehn Jahren im Verein als Kind und Jugendlicher, plus mit Anfang 20 noch drei Jahre in der Kreisliga im Münchner Umland. Alles in allem solide, aber eben nicht mehr, doch an diesem Tag reicht es offenbar aus.
Dann fiel das 1:0. Für uns. Beim Abklatschen ungläubliges Lächeln. Echt jetzt, wir führen? Der Trainer des FFC blickte noch finsterer. Kurz darauf sah ich meinen damaligen Mitbewohner, wie er vier Gegnerinnen am Stück ausdribbelte. Was war hier los? Dann fiel schon das 2:0.
Wir führten, obwohl der FFC unverkennbar besser Fußball spielte: saubere Pässe, gutes Stellungsspiel, alle in Bewegung, eintrainierte Spielzüge. Aber die Tore machten wir: mit vollem Körpereinsatz und vielen Kopfbällen gegen wesentlich kleinere Gegnerinnen.
Die Führung war mir sogar etwas unangenehm, eine deutliche Niederlage hätte ich charmanter gefunden. Ich war froh, als die Spielmacherin des FFC sich den Ball nahm und ihn sehr platziert, aber nicht sonderlich hart, aus der zweiten Reihe zum 1:2 ins linke Eck traf. Jetzt wollten sie es noch mal wissen.
Das Foul
Meine Gegenspielerin - sichtlich genervt davon, bei jedem Zweikampf von meinen 90 Kilo Körpergewicht zur Seite gedrückt zu werden - trat mich von hinten um, nahm den Ball, zog im Strafraum ab, unser Torwart konnte aber eben noch so parieren. "Hallo?", schrie ich über den Platz zur Schiedsrichterin (eine Auswechselspielerin vom FFC), "bist du blind?" Es folgt eine unrühmliche Diskussion mit dem Trainer des FFC, der daraufhin drohte das Spiel abzubrechen, weil ich ihn sehr laut und weniger freundlich quer über den Platz gefragt hatte: "Hey, was bist denn du für ein Clown?"
Alle beruhigten sich (genau genommen hatten sich nur Männer aufgeregt), einer von uns traf Mitte der zweiten Spielhälfte noch zum 3:1, dabei blieb es. Nach dem Abpiff gab es ein großes Händschütteln aller Beteiligten, am längsten und am häufigsten wurde die Hand der sehr attraktiven Torhüterin des FFC geschüttelt, es bildete sich kurzzeitig eine Art Warteschlange von Journalistenschülern vor ihrem Tor.
Was ich gelernt habe
Wenn elf durchschnittliche junge Männer, die hauptsächlich auf einer Wiese auf Rucksäcke Fußball spielen, also gegen elf durchtrainierte Vereinsspielerinnen aus der Regionalliga gewinnen, was sagt einem das über Frauenfußball?
1) Männer haben von Natur aus einen körperlichen Vorteil bei der Schnelligkeit, der Körpergröße und bei Zweikämpfen - das merkt man auf dem Platz einfach.
2) Trotzdem waren die Frauen uns technisch, taktisch und optisch überlegen. Sie haben den viel schöneren Fußball gespielt als wir.
3) Jeder Mann, der nicht wenigstens Landesliga spielt und drei Mal die Woche trainiert, macht sich bei dem Satz "Frauenfußball! Bei der WM könnte ich mitspielen!" lächerlich.
4) Man soll Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.
Die Vorstopperin ist eine Kolumne zu Frauenfußball-WM, die sz-magazin.de gemeinsam mit sueddeutsche.de und jetzt.de schreibt.