Die Geschichte mit den zwei Päpsten und dem Papstpalast in Avignon hat mich schon immer fasziniert, aber bis heute verstehe ich nicht so ganz, wie es eigentlich dazu kommen konnte und wieso die Päpste ausgerechnet in Avignon landeten. Ein bisschen erinnert mich das an Konrad Adenauers Idee, Bonn zur Hauptstadt zu küren. Immerhin blieb in Avignon der mittelalterliche Papstpalast stehen.Nur von einer schmalen Kopfsteinpflasterstraße getrennt und in seinem Windschatten gelegen (das ist wichtig, der Mistral kann einen ja verrückt machen, wenn man ihm direkt ausgesetzt ist), steht ein altes französisches Palais. Dessen wechselhafte Geschichte geht bis in das Jahr 1309 zurück und endet vorerst damit, dass eine deutsche Familie namens Stein den ehemaligen Kardinalspalast 1987 kaufte, renovierte und Achim Stein und sein Sohn Martin 1990 ein Hotel mit dem Namen »La Mirande« eröffneten, ein kleines Wunder an Schönheit und Erlesenheit. Das Hotel hat nur 20 Zimmer, und obwohl sie renoviert worden sind, fühlt man sich dort, als sei man bei einer alten provenzalischen Adelsfamilie zu Gast. Sie sind elegant, relativ klein und alle mit verschiedenen Tapeten und Stoffen in Lindgrün, Zartgelb, Altrosé, Graugrün oder Taubenblaugrau gehalten. Außerdem sind sie mit antiken Möbeln, alten Stichen und manche mit hübschen Porzellanfiguren ausgestattet. Man kann aber auch am Nachmittag die alte, schön geschwungene Steintreppe zur Tea time in den luftigen Innenhof hinunter schreiten oder sich nach dem Dinner in einen der gemütlichen Sessel in der Bar sinken lassen, die nur mit Kerzen in Kristalllüstern erleuchtet ist – einer der weltweit schönsten Orte für einen Schlummertrunk, den ich kenne. Aber am allerliebsten sitze ich beim Frühstück mit einem Buch auf der Terrasse: mit einem Band von Frédéric Mistral, dem bekanntesten Dichter der Provence, oder einem Klassiker von Balzac oder Les Miserables von Victor Hugo. Die Rosen duften im verwunschenen Garten, im Rücken spürt man den Papstpalast, vor sich hat man einen Café au Lait und ein Croissant und schon müsste man sagen, es lässt sich hier wirklich nicht vermeiden: »Leben wie Gott in Frankreich.«Doch gibt es zu viele gute Gründe, sich auf den Weg zu machen. Martin, der aussieht, als wäre er einem Gemälde der Renaissance entsprungen – bei seinem Anblick muss ich immer an das Porträt Bildnis eines Jünglings vor weißem Vorhang von Lorenzo Lotto denken –, kümmert sich als Herr des Hauses um jedes Detail, wenn man einen Ausflug in die Provence machen möchte. Oder aber man bleibt gleich in Avignon, wo man ziemlich gut shoppen kann, und zwar nicht nur Olivenöl und Knoblauch: Ich habe mir dort zum Beispiel ein Jahr früher als angesagt Sandalen mit Keilabsätzen aus Kork von Veronique Branquinho gekauft. Vor dem Einkaufen sollte man aber unbedingt die Collection Yvon Lambert mit ihrer Sammlung zeitgenössischer Kunst besuchen (damit man beim Schuhkauf nicht ein ganz so schlechtes Gewissen hat).Sonntags wollte ich dann das Hotel selbst genießen, nicht ganz freiwillig, da ich noch ein Buch über Hotels zu Ende layouten musste, der Termin drängte sehr. Bester Dinge, in dieser Umgebung arbeiten zu dürfen, setzte ich mich an einen entzückenden antiken Schreibtisch direkt ans offene Fenster (damit der Wireless-Lan-Empfang wegen der dicken Mauern auch funktioniert). Zur Unterhaltung der Touristen gab eine Frau unterhalb meines Fensters das Edith-Piaf-Lied Milord zum Besten, leider konnte oder wollte sie nur die ersten vier Zeilen singen, immer wieder diese ersten vier Zeilen. Nach drei Stunden war ich kurz davor, ihr mein nagelneues G4-Powerbook auf den Kopf zu werfen. Dafür entzückte mich das Abendessen in der provenzalischen Landhausküche in den Kellergewölben mit holzbefeuertem Ofen wieder so sehr, dass die Gesangseinlage bald vergessen war. Im anderen, klassischen und eleganten Restaurant des Hotels kocht seit Juli übrigens täglich der 31-jährige Schüler von Alain Ducasse vom »Plaza Athénée« in Paris, Sebastiàn Aminot. Das allein ist eine Reise wert!LA MIRANDE, 4 place de la Mirande, Avignon, Tel. 0033/490/142020, DZ ab 295 Euro, www.la-mirande.fr.COLLECTION YVON LAMBERT, 5 rue violette, Avignon, Tel. 0033/490/165620, www.collectionlambert.com.