In Venedig herrschen die gleichen Sitten wie in Paris: Wer nicht in einer überteuerten Schuhschachtel übernachten will, der muss in eines der wenigen Hotels, die wirklich Klasse haben, ins »Gritti Palace«, ins »Cipriani«, ins »Bauer« oder »Danieli«. Nachteil: Dort lässt man ein Vermögen. Wer Geld sparen, auf Venedig aber nicht verzichten will, hat zwei Möglichkeiten. Erstens: im Herbst zu fahren, wenn die etablierten Häuser ihre Preise von »unerschwinglich« auf »wahnsinnig teuer« herabgestuft haben. Zweitens: sich im noch relativ unbekannten Hotel »San Clemente Palace« einzumieten. Ich habe beides auf einmal gemacht.
»Aber wer will schon im Herbst nach Venedig, wenn alles trist und grau ist?«, werden Sie jetzt sagen. »Probieren Sie es aus!«, sage ich. Kennen Sie die Venedig-Bilder von Turner und Monet? Genauso ist Venedig im November. Nebel steigt aus den Kanälen, in den Gassen klebt ein feuchter, modriger Geruch, die Fassaden und Silhouetten der Palazzi sind nicht so aufdringlich pittoresk und bunt, eher diffus, romantisch, geheimnisvoll. Außerdem trampeln nicht ganz so viele Touristen durch die Stadt wie im Frühling oder im Sommer.
Die Abgeschiedenheit ist auch der große Vorteil des »San Clemente Palace«, dem einzigen Gebäude auf der Privatinsel San Clemente, das 1645 als Kloster gebaut und 2003 in ein Hotel mit mehr als 200 geräumigen Zimmern umgewandelt wurde. Die Insel ist nur zehn Minuten vom Markusplatz entfernt und lässt sich mit einem der hoteleigenen Mahagoni-Boote ansteuern, die mehrmals stündlich zwischen Hotel und Zentrum pendeln. Der größte Vorzug des Hotels liegt damit auf der Hand: Der Gast kann jederzeit aus der Enge Venedigs in eine grüne Oase entkommen, die ihn mit Stille, Frischluft und einem Swimmingpool versorgt. In den Zimmern mit Blick Richtung San Marco wacht man jeden Morgen mit dem schönsten Panorama auf, das diese Welt zu bieten hat.
Dekoriert sind die Zimmer im Stil venezianischer Zünfte, das Mobiliar erinnert an Dogen und Edelleute der Renaissance – leider ist alles nur Imitat, und auch die Musik in der Bar und im Restaurant kommt aus der Konserve und klingt wie Reitschulmusik. Doch das hält Stars wie Keira Knightley, Robert De Niro oder Noel Gallagher nicht davon ab, im »San Clemente« abzusteigen. Zum Essen und Trinken sollte man wieder in die Stadt übersetzen und in »Harry’s Bar« den berühmten Bellini und im »Alla Madonna«, dem nettesten Restaurant der Stadt, eine Portion Pasta essen.
HOTEL San Clemente Palace, Isola die San Clemente 1, Telefon 0039/ 041/244 50 01, DZ ab 297 Euro, www.sanclemente.thi.it
ESSEN UND TRINKEN Harry’s Bar, San Marco 1323, Telefon 0039/041/528 53 31, Ristorante Alla Madonna, San Polo 594, Telefon 0039/041/522 38 24.