Wie komme ich mit meiner Familie ins Gespräch?

Unsere Leserin mag ihre Familie sehr, leidet aber darunter, dass meist Oberflächliches geredet wird. Was tun? Unsere Kolumnistin hat einen Vorschlag.

Illustration: Serge Bloch

»In der Familie, in der ich aufgewachsen bin, sind alle herzensgut und großzügig, aber auch sehr konfliktscheu. Gespräche drehen sich meist um Bagatellthemen, andere Menschen oder Aufzählungen, was jeweils er oder sie erlebt hat. Sobald es ins Persönliche geht (Gesundheit, Bauvorhaben, Konsumpläne etc.), kommt in der Gesamtaussage ein ›Das müsst ihr selbst entscheiden‹ oder im umgekehrten Fall ein ›Das ist unsere Sache‹. Als ich meine Mutter darauf ansprach, erntete ich Unverständnis. Das Thema belastet mich immer mehr. Was kann ich tun, damit ich als erwachsene Tochter mit eigener Familie in puncto Kommunikation nicht wie eine bloße Bekannte behandelt werde, mit der man Small Talk betreibt?« Eva H., Amberg

Ich wünschte, ich könnte Ihnen einen Trick verraten, wie sich die ein­gespielten Kommunikationsmuster Ihrer Familie ändern lassen, aber ich glaube, den gibt es nicht. Sind ja alle erwachsen, und außer Ihnen scheint niemand unter der Situation zu leiden. Es wird möglicher­weise sogar so sein, dass Sie innerhalb der Familie als etwas anstrengend gelten. Oder nennen wir es anspruchsvoll. Ihr Unwohlsein wird ja nicht unbemerkt geblieben sein, zumal Sie das auch bereits angesprochen haben. Dass Sie, was Ihre Art der Kommunikation angeht, so anders geraten sind als der Rest Ihrer Familie, könnte sogar eine Gegenreaktion gewesen sein. Eine bestimmte Art der Revolte, in der auch eine Spur Verzweiflung mitschwingen mag. Bis heute versuchen Sie, etwas zu bekommen, das es in Ihrer Familie offenbar nicht zu holen gibt.

Aber muss denn eine Familie wirklich alles leisten? Sie beschreiben Ihre Familie als herzensgut und großzügig, ist das nicht in Wahrheit schon vollauf genug? Sie sind in dieser Familie zu einer selbstständigen Erwachsenen herangewachsen, die, was Kommunikation angeht, einen etwas direkteren Stil pflegt, als sie ihn von zu Hause kannte. Das ist doch fantastisch. Mit Ihrer eigenen Familie können Sie es ja anders, besser machen. Aber wenn Sie nach all den Jahren, Jahrzehnten immer noch darauf warten, dass der Rest Ihrer Herkunftsfamilie irgendwann noch so wird wie Sie, sind Sie, möchte man meinen, auf Enttäuschungen geradezu aus.

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Zum Glück gibt es auf der Welt nicht nur Familie. Für gute Gespräche, die einen weiterbringen im Leben, gibt es doch Freunde. Lassen Sie Ihrer Familie deren seltsam übervorsichtigen Ton, meine Güte, so sind sie halt, und konzentrieren Sie sich auf deren wunderschöne Eigenschaften. Nicht jeder Mensch hat das Glück, aus einer herzens­guten und großzügigen Familie zu kommen.