»Das Konzert gaben wir in der Küche von meinen Eltern in Boxershorts«

Als Kind brachte Clemens Rehbein seine ersten Moves zu Justin Timberlake aufs Parkett, heute tanzt er zum Lieblingslied seiner kleinen Tochter. Hier spricht der Sänger der Band Milky Chance über die sieben Songs seines Lebens.

#1 »Señorita« von Justin Timberlake
Justin Timberlake war in meiner späten Kindheit, frühen Jugend sehr wichtig. Damals wollte ich Tänzer werden. Zu »Señorita« habe ich dann zuhause vor dem Spiegel Tanzen geübt. Unterricht habe ich nie genommen. Es war eine Passion, die ich alleine und heimlich ausgelebt habe.
Das Tanzen habe ich nicht mehr weiterverfolgt, vielleicht hätte ich das mal machen sollen. Aber anstatt jetzt noch in die Tanzschule zu gehen, würde ich lieber nach Kuba reisen und auf der Straße schauen, wie die Leute sich dort bewegen. Das fände ich viel interessanter.


#2 »Concrete Jungle« von Bob Marley

Mit elf Jahren habe ich angefangen, die alten Platten von meinen Eltern zu entdecken. Ich habe im Plattenregal rumgewühlt, eine rausgezogen und sie nach der Schule mit der Anlage meines Vaters angehört. Meine Eltern hatten alles – Bob Marley, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Neil Young, Bob Dylan und ich habe sie mir alle reingezogen.
So – und durch meinen Gitarrenlehrer – habe ich die Musik von Bob Marley kennengelernt. Im Gitarrenunterricht lernt man ja oft so alte Klassiker wie »No Woman No Cry«, weil das jeder am Lagerfeuer spielen will.
So Lagerfeuer-Musik habe ich eigentlich nie gemacht. Meistens saß ich alleine zuhause und habe gespielt, aber als ich in die Oberstufe gewechselt bin, kam ich in eine Musikklasse. Da habe ich auch Philipp Dausch, der ebenfalls Mitglied von Milky Chance ist, kennengelernt. Wenn wir abends noch irgendwo hingegangen sind, haben wir die Instrumente mitgenommen und zusammen Mucke gemacht. Das waren die ersten Male, dass ich mit anderen in der Öffentlichkeit gespielt habe. 
»Concrete Jungle« hat mir das Tor zum Reggae geöffnet. Der Refrain hat mich gecatcht. Das ist einer der Songs, die man immer hören kann. Die werden nicht alt oder langweilig.


#3 »There’s No Leaving Now« von The Tallest Man On Earth

»There’s No Leaving Now« habe ich zusammen mit einem Kumpel auf der Beerdigung eines Freundes gesungen. Wir hatten uns für das Lied entschieden, weil es zu diesem Zeitpunkt aus uns gesprochen hat, musikalisch wie textlich.
Songs können einen Moment mit all seinen Emotionen in einem Vakuum einfangen. Bei diesem Lied ist mir das das erste Mal so richtig krass aufgefallen. Wenn ich »There’s No Leaving Now« höre, werde ich direkt in diesen Moment zurück katapultiert. In dem Song steckt viel drin, viel Therapie, viel Verarbeitung.
Hinter The Tallest Man On Earth verbirgt sich übrigens der Schwede Kristian Matsson, eine Art Bob Dylan des 21. Jahrhunderts. Ich würde nicht sagen, dass Matsson mein Idol ist, aber sein gesamtes Lebenswerk steht bei mir zuhause und ich habe die Songs alle schon zig tausend Mal gehört.


#4 »Heart Of Gold« von Neil Young

Auf der süßesten Hochzeit, auf der ich bis jetzt war, wurde dieser Song gespielt, als die Braut mit ihrem Vater zum Altar gelaufen ist. Da hatte ich Tränen in den Augen.
Rob, unser Freund und Tourmanager, hat geheiratet. Er ist Berliner und seine Hochzeit war entsprechend locker, lustig und cool. »Heart Of Gold« war da sehr sehr passend.
Ich kenne nicht alles von Neil Young, aber es gibt schon viele Lieder, die ich gut finde. Das ist einer der Künstler, bei denen ich mir vorgenommen habe, irgendwann noch mal tiefer in die Musik reinzugehen.


#5 »Die Katze tanzt allein, tanzt auf einem Bein« von Fredrik Vahle

Das ist eines der Lieblingslieder meiner kleinen Tochter. Ich muss es sehr oft singen und hören, manchmal vielleicht zu oft, aber es macht trotzdem Spaß. Es ist schön zuzusehen, wie dein Kind anfängt sich zu Musik zu verhalten und den ganzen Tag irgendwelche Kinderlieder vor sich hin summt. Meine Tochter und ich tanzen auch zusammen – wenn man es tanzen nennen kann, wie wir uns zur Musik bewegen. Meine Tochter feiert es total. Die findet es cool.

#6 »Naive« von The Kooks
In der Oberstufe habe ich sehr viel Zeit mit meinem besten Freund verbracht – die Schulzeiten, die ersten Festivals. Wir sind jedes Wochenende, jeden Abend weggegangen, haben viel getrunken und waren wild und sorgenlos.
Die Kooks waren unsere gemeinsame Lieblingsband, die wir immer gehört haben. Heute verbringen wir zwar immer noch Zeit miteinander, aber es ist schwieriger geworden, weil wir beide so viel unterwegs sind.
Als wir in Südafrika mal auf einem Festival gespielt haben, waren die Kooks auch Headliner. Ich habe dem Sänger Luke Pritchard und dem Lead-Gitarristen Hugh Harris kurz Hallo gesagt und ein bisschen Smalltalk mit ihm gemacht. Das sind nette Kerle, humorvolle, höfliche Typen. Sie sind sehr klein, das fand ich sympathisch, weil ich auch nur 1,75 m groß bin.

#7 »What’d I Say« von Ray Charles
In der Oberstufe hatten wir unsere erste Band, Philipp, ich und zwei andere Kumpels. Die Schwester des einen Kumpels war die Sängerin. Wir haben uns durch Blues, Jazz und Soul gewühlt. Das fanden damals viele cool, aber auch ungewöhnlich, weil wir noch so jung waren und nur alte Dinger gespielt haben.
Unser erstes Konzert gaben wir auf einer Party, die wir bei mir zuhause veranstaltet haben. Meine Eltern sind extra zu Freunden nach Hamburg gefahren, die sind da zum Glück ganz locker. Es war der 17. Geburtstag von mir und Philipp und wir haben fünfzig Leute eingeladen. Im Endeffekt waren hundert Leute da, das Haus ist aus allen Nähten geplatzt und die Straße sah später aus wie nach einer Schlacht. Das Konzert gaben wir in der Küche von meinen Eltern in Boxershorts. Wir haben Ray Charles gespielt und alle haben sehr wild getanzt. Das werde ich nie vergessen. Meine Mama hat mir am nächsten Tag geholfen die Torten- und Salatreste vom Küchenboden zu kratzen, die die Tanzwütigen da reingestampft hatten.

Milky Chance touren noch bis Sommer 2018 mit ihrem aktuellen Album »The Blossom« durch Europa, USA und Kanada.

Foto: Jeff Hahn