»Gott sei Dank lebt der Meister noch«

Der Schauspieler Rufus Beck über seinen größten musikalischen Helden - und jenen Song, der ihn bei jedem Hören auf eine Traumreise mitnimmt. 

Musik, und vor allem Jazz, spielt im Leben von Rufus Beck eine große Rolle.

Foto: dpa

#1 »Nuages« von Django Reinhardt 
Die erste Schallplatte, die ich geschenkt bekam, war eine Schellackplatte von Django Reinhardt. Ich war damals zehn Jahre alt – und das war sozusagen die Initialzündung für meinen musikalischen Werdegang. Zuerst faszinierte mich die Erscheinung auf dem Cover: Ein Mann mit einem Menjou-Bärtchen, einer Kippe im Mundwinkel und einer Gitarre, die er lässig auf den Knien hielt. Django! Und dann diese Musik! Swing, Tanzmusik, unglaublich rhythmisch und melodiös, mitreißend und eine sagenhaft schnell gespielte, swingende Sologitarre. Der reinste Wahnsinn. Jazz, und vor allem Gitarrenjazz, wurde meine Musik. Ich habe inzwischen alle Platten von Django. Seine berühmteste Komposition ist »Nuages«, die sich in Frankreich in den Vierzigerjahren erst zum Hit und dann zum Jazzstandard entwickelte. Nahezu alle großen Gitarristen haben diese Nummer im Repertoire.

#2 »Soloflight« von Charlie Christian
Mit 16 fing ich an, mich für den frühen Swing zu interessieren und versuchte, die Soli von Charlie Christian nachzuspielen. Christian wurde 1916 geboren und starb mit 25 Jahren an Tuberkulose. Er spielte in seinem kurzen Leben in den berühmtesten Big Bands seiner Zeit, in der Band von Lionel Hampton etwa - und vor allem mit Benny Goodman. Mit ihm spielte er auch seine berühmteste Komposition: »Soloflight«. Charlie hatte einen völlig anderen Stil als Django, er spielte seine Soli wie auf einem Saxophon und lehnte sich bei seinen Improvisationen an Akkorden an.

#3 »Bumpin’ On Sunset« von Wes Montgomery
Montgomery ist einer meiner Gitarrengötter – und er ist einer der wegweisenden und stilbildenden Gitarristen des Jazz. Er selbst wurde von Charlie Christian beeinflusst und entwickelte trotzdem einen völlig anderen Gitarrenstil: Montgomery spielte nicht wie alle anderen mit einem Plektrum, sondern nur mit seinem Daumen. Das ergab einen sehr weichen Legato-Klang und ermöglichte ihm seine berühmten Oktavmelodien, diese Blockakkorde, die er rasend schnell und federleicht spielte. Die melodische Kraft in seinen Improvisationen und der warme Sound machten ihn zu einer absoluten Ausnahmeerscheinung im Jazz der frühen Sechzigerjahre.

#4 »All Of You« von Kenny Burrell
Mein größter Hero ist und bleibt Kenny Burrell. Ich könnte mit verbundenen Augen sofort heraushören, ob Kenny auf einer Aufnahme die Gitarre spielt. Kenny hat einen wunderschönen warmen, singenden Gitarrenton, er spielt sagenhaft lässige Chord-Melodien, und in seinen Soli merkt man, dass er sehr vom Blues in seiner Heimat Michigan beeinflusst ist. Gott sei Dank lebt der Meister noch und ist musikalisch immer noch aktiv.

#5 »Concierto de Aranjuez« von Jim Hall
Ein Faszinosum unter den Gitarristen ist Jim Hall, der Intellektuellste unter den Jazzmusikern. Seine Spielweise ist sehr stark von Pianisten und Saxophonisten geprägt. Er hat viel im Duett gespielt, in den unterschiedlichsten Besetzungen: mit Bill Evans Piano, mit Pat Metheny Gitarre, mit Charlie Haden Bass. Einmal habe ich ihn bei einem Konzert in Köln im Duo mit dem Posaunisten Jiggs Whigham gesehen. Seine für mich schönste Platte und Aufnahme ist das »Concierto de Aranjuez«, eigentlich ein Solokonzert für Gitarre und Orchester von Joaquín Rodrigo, aber Jim Hall hat daraus eine wunderschöne Jazzballade gemacht.

#6 »One World« von Mike Stern
Ich könnte noch 20 andere Gitarristen nennen, aber mir fällt gerade Mike Stern ein. Dabei hat er gar nichts mit meinem üblichen Jazz-Geschmack zu tun, er kommt nämlich vom Blues-Rock und entwickelte sich erst dann weiter zu einem der führenden Jazzmusiker. Er spielt auf der typischen Rock-Blues-Gitarre, einer Telecaster, der Mutter aller Brettgitarren. Sein Sound ist sehr von Effektgeräten bestimmt: viel Chorus, Delay and Distortion. Stern singt oft zu seinen Melodie Linien und benutzt die menschliche Stimme als Musikinstrument – so wie auf seiner CD »Voices«.

#7 »Maurizius« von Eberhard Weber
Nach all diesen Gitarristen muss ich einen Bassisten nennen, dessen Musik ich bewundere und der leider heute auf Grund eines Schlaganfalls nicht mehr auftreten kann: der weltberühmte deutsche Kontrabassist Eberhard Weber. Dabei ist Kontrabass genau genommen nicht sein Instrument; er spielte auf einem elektrischen Solidbody-Kontrabass, ähnlich einem Cello, und begleitete auch nicht die anderen Musiker im Stile eines Jazzbassisten, sondern setzte seinen Bass immer als Soloinstrument ein. »Maurizius« stammt von der CD »Hommage à Eberhard Weber«, auf dem tolle Musiker vereint sind. Es ist eine herrliche, zehnminütige Traumreise.