»Die Emotionen sind so stark, dass ich nicht weiterhören kann«

Die Musikerin und Schauspielerin Anna F. über eine Band, die sie viel zu spät entdeckt hat - und den Song, der sie immer wieder überwältigt.

    »La Superbe« von Benjamin Biolay 

    In diesem Song verschmelzen zwei Menschen, an denen mir viel gelegen ist: die wundervolle Gesa Hansen, die in diesem Song mit Benjamin Biolay unglaublich schön singt, und Benjamin selbst, den ich vor etwa zwei Jahren kennengelernt habe, nachdem Gesa ihm zuvor meine Musik gezeigt hatte. Wir haben uns dann im Studio in Paris getroffen und gleich vier Lieder gemeinsam geschrieben. Seitdem fahre ich immer wieder nach Paris, wo wir weiterhin an einem gemeinsamen Album arbeiten. Benjamin ist ein interessanter und liebenswerter Mensch, ein Charmeur und extrem talentierter Musiker - und nicht umsonst ein Superstar in Frankreich. Ich liebe es, in seinen speziellen und teils auch sehr von Serge Gainsbourg beeinflussten, französischen Sound einzutauchen.

    »Pedestrian At Best« von Courtney Barnett

    Courntney Barnett ist meine Liebslingskünstlerin der letzten drei Jahre. Auch in diesem Lied (wie in allen anderen): wahnsinnig schlauer Text, Stream-of-consciousness-mäßig. Wie sie mit Sprache umgeht, Wortspiele einbaut, gleichzeitig eine Story erzählt und das ganze auch noch in super Bilder verpackt - Hammer! Dazu ist sie auch noch eine fulminante Gitarristin und ich liebe ihre Art, so zurückgelehnt und gelangweilt zu singen. Eine sehr inspirierende Künstlerin für mich.

    »So Much It Hurts« von Niki & the Dove

    Für mich steht jeder Song für eine bestimmte Zeit in meinem Leben, und es ist immer wieder erstaunlich, wie einen Musik sofort an diesen Platz, in diese Zeit zurückholen kann. Dieses Lied ist der Song meiner Reise nach Los Angeles Anfang 2016. Ich war mit meinen beiden Produzenten zwei Monate in der Stadt, wo wir begonnen, Songs für mein neues Album zu schreiben. Dafür mieteten wir verschiedene AirBnb-Apartments, bauten unser Zeug auf - und legten los. »So Much It Hurts« spiegelt so sehr das Freiheitsgefühl wieder, das ich damals verspürte. Ich glaube, es gibt keine Stadt, zu der dieser Song besser passt. Und wann immer ich ihn höre, bin ich für einen Moment wieder dort.

    »I Need You« von Nick Cave & The Bad Seeds

    Der Song ist von seinem letzten Album »Skeleton Tree«, das ich rauf und runter gehört habe. Das Lied hat den extrem traurigen Hintergrund, dass Nick Caves Sohn tödlich verunglückt ist. Es ist so berührend wie das gesamte Album, auf dem er dieses schlimme Ereignis verarbeitet hat. Ich bin erst in den letzten paar Jahren zum großen Nick-Cave-Fan avanciert - und zwar über seine beiden unglaublich tollen (und auch sehr unterschiedlichen) Dokumentationen »20.000 days on earth« und »One more time with feeling«.

    »Dying On The Vine« von John Cale

    Ein Song, der mir selbst auf den ersten Blick wohl gar nicht aufgefallen wäre. Doch ein Freund hat ihn mir so oft vorgespielt, bis ich ihn richtig zu lieben begann. Super kluger Text, treibendes Klavier-Riff, interessante Akkordfolge. Ich hab dann sogleich eine Cover-Version von »Dying On The Vine« mit Gitarre gemacht, die sogar als Bonustrack auf meinem letzten Album erschienen ist.

    »All My Friends (live)« von LCD Soundsystem

    Viel zu spät hab ich diese Band für mich entdeckt und ich liebe sie so sehr. Ich hab sie vor zwei Jahren beim Primavera-Festival in Barcelona bei ihrem Comeback zum ersten Mal live gesehen und es hat mich umgehauen. Am meisten mag ich an diesem Lied den Groove, die Wahnsinns-Energie, das vorwärtsgehende Klavier und darüber die simple Melodie. Und dann natürlich diesen Text über die Welt beziehungsweise die Leere des Feierns und wie leicht es ist, dort hängen zu bleiben - schwups, sind zehn Jahre vorbei. Das Video ist vom Abschiedskonzert im Madison Square Garden von 2011, aber zum Glück sind LCD Soundsystem jetzt wieder zurück!

    »Time Is Dancing« von Ben Howard

    Dieses Lied erinnert mich an eine Zeit, in der ich so wahnsinnig verliebt war, dass es kaum auszuhalten war. Ich hatte den Song damals in Dauerschleife aufgelegt. Jetzt höre ich ihn nach cirka drei Jahren zum ersten Mal wieder, während ich das hier schreibe, und in meinem Bauch beginnt es zu kribbeln und die Emotionen sind so stark, dass ich nicht weiterhören kann. Es ist einfach zu überwältigend, ich muss den Song stoppen. Einfach unglaublich, was Musik mit einem machen kann.