»Die einfachste Möglichkeit, Stumpfsinn zu verhindern, ist mit Frauen zu arbeiten«

Der Schauspieler Robert Stadlober philosophiert über Liebe, verlorene Träume und die sinnentleerteste Sache der Welt. Sieben Songs, die sein Leben erzählen.

    Foto: Stephan Pabst

    #1 »Serve the servants« von Nirvana
    Ein Winter in Berlin, ich war 13 Jahre alt und meine neue, meine erste Lieblingsband hieß Nirvana. Dieser Song eröffnet ihr Album »In Utero«, die Platte die sie aufnahmen, nachdem sie aus Versehen zur größten Band der Welt geworden waren. Schon in den ersten Zeilen reflektiert Kurt Cobain bitter ironisch seine neuen Status als Ware. Ich drehte zu der Zeit eine Folge Alarm für Cobra 11 und dachte, ihn genau zu verstehen. Von wegen: der Abgrund des Kommerzes. Ja, die süße Überheblichkeit der Jugend.

    #2 »Down About It« von Evan Dando & Juliana Hattfield
    In meinen Teenagerjahren haben mir diese beiden Menschen gezeigt, was eine Beziehung zwischen Mann und Frau auch sein kann. Sie waren zusammen, sie waren unglaublich eng, das war klar. Aber ob sie wirklich so zusammen waren, wie Mann und Frau landläufig zusammen zu sein haben, das blieb immer in der Schwebe. Sie haben ihr Verhältnis, ihr Leben nicht dazu genutzt, um Kapital daraus zu schlagen und sich bis heute ihre Integrität bewahrt. Der Song erinnert mich daran, dass das auch geht. Am Leistungsdiktat vorbei zu leben und trotzdem zu leben und vor allem zu lieben.

    #3 »Lichtjahre voraus« von Britta
    Anfang Zwanzig spielte ich in einer Jungsrockband. Wir spielten viele Konzerte und machten drum herum all das, von dem wir dachten, es würde rituell von Jungs in Rockbands erwartet. Britta beschrieben dann für mich zum ersten Mal, was es bedeutet in so einer Welt, eine Mädchenband zu sein. Geahnt hatten wir es, jetzt war es Gewissheit. Die sinnentleerteste Sache der Welt sind vier Männer und ein Kasten Bier. Und die einfachste Möglichkeit Stumpfsinn zu verhindern ist, mit Frauen zu arbeiten.

    #4 »Alone Again Or« von Arthur Lee & Love
    Als junger Schauspieler floh ich 2004 von Hamburg nach Wien. Dort kannte ich eigentlich niemanden und was noch wichtiger war, keiner kannte mich. Ich saß daher oft allein in meiner Wohnung im fünften Bezirk und hörte diesen Song. Er beschreibt für mich dieses wunderschöne, bittersüße Gefühl, einsam zu sein und doch zu wissen „The people are the greatest thing.“ Diese Zeile bestätigte sich auch prompt, kurz darauf lernte ich großartige Menschen kennen, Freunde für ein neues Leben.

    #5 »Eternal Flame« von Joan as Policewoman
    Joan ist eine wunderschöne, ja ich sag das Wort: erotische Künstlerin. Im Song »Eternal Flame« erzählt sie, wie für sie Liebe funktioniert: »Ich kann die Flamme entzünden, aber aber es ist nicht meine alleinige Aufgabe, sie am Brennen zu halten.« Das fand und finde ich unglaublich sexy. Und natürlich denke ich bei diesem Lied auch an meine Liebe: Das schönste Joan as Policewoman Konzert besuchte ich mit der Frau, mit der ich seit acht Jahren mein Leben teile.

    #6 »Mauern« von Klez.e
    Der Sänger Tobias ist mein enger Freund. Aufgewachsen ist er in der DDR. Dieses Lied erzählt über die Träume, die er als Jugendlicher vom Westen hatte und wie es heute um sie steht. Dieses ganze Beleidigte, vielleicht Verletzte um uns, dass sich teils so grauenhaft Bahn bricht, es hat Wurzeln in verlorenen Träumen. Und leider macht nicht jeder solch schöne Musik aus dem Schmerz und der Verwirrung.

    #7 »Speak low« von Kurt Weill
    In dem Film »Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm« (Kinostart 13. September 2018) spiele ich den Komponisten Kurt Weill. Diesen Song aus dem Jahr 1943 habe ich oft vor dem Dreh gehört. In ihm verbinden sich Humor und Melancholie. Das, was für mich den Charakter Kurt Weills ausmachte. Als Jude floh er bereits 1933 aus Deutschland. Zehn Jahre später schrieb er dieses Lied. Dass ihm das noch möglich war, nach all dem was ihm, seinen Freunden und Verwandten angetan wurde, fordert mir unglaublichen Respekt ab und macht mir Hoffnung, dass der Faschismus nie so stark sein wird, wie die Kunst, die ihm entgegensteht.