»Ich war sofort verliebt – in das Lied, nicht den Sänger«

Im Leben der Tennisspielerin Andrea Petkovic spielt Musik eine entscheidende Rolle. Ganz besonders diese Songs.

Julian Baumann

1) Let Down - Radiohead
»Letztes Jahr hatte ich das Glück, während des Osheaga Festivals in Montréal ein Turnier zu spielen. Als ich davon erfuhr, war es bereits gnadenlos zu spät, um noch an Tickets zu kommen. Ich ließ nicht locker, weil ich Radiohead noch nie live erlebt hatte, und irgendwie schafften es die Turnierveranstalter, mich und meinen Trainer in einer VIP-Lounge unterzukriegen. Wir standen auf einer Terrasse, relativ weit weg von der Bühne, aber dafür mit einem tollen Blick über das gesamte Publikum, und als Radiohead ›Let Down‹ als Zugabe spielte, konnte man die kollektive Gänsehaut förmlich sehen. Ein echter Glücksmoment.«


2) There Is a Light That Never Goes Out - The Smiths

»Als typisch melancholischer, launischer Teenager war die Entdeckung der Smiths Balsam für meine Seele. Ich hörte das Album ›The Queen is Dead‹ rauf und runter. Einer meiner heute noch sehr engen Freunde saß mit mir um 4 Uhr morgens in meinem Opel Corsa, den ich damals fuhr, als ›There Is a Light That Never Goes Out‹ kam. Wir waren auf einer sehr lauten Party gewesen und erreichten gerade sein Haus, wo ich ihn eigentlich rausschmeißen wollte, um endlich schlafen zu gehen, aber er verliebte sich sofort in dieses Lied und wir hörten es bestimmt noch 10 Mal hintereinander. Später gestand er mir, dass ich ihn von elektronischer Musik zu Indie-Rock bekehrt hatte. Übrigens: Fast alle Fotos, die man von mir außerhalb des Tennisplatzes kennt, hat er gemacht.«


3) Truth Begins - Dirty Pretty Things

»Dieses Lied entdeckte ich paradoxerweise in einer Phase, in der ich überzeugt war, nach Paris ziehen zu müssen. Um mein Französisch zu verbessern, schaute ich jeden Tag einen anderen französischen Film an. Es waren sehr gute dabei, aber auch sehr viele fragwürdige. Ich kämpfte mich durch und wurde mit diesem Lied und der brillanten Szene belohnt, in der Monica Bellucci in dem Film ›Un été brûlant‹ zu ›Truth Begins‹ tanzt. Ein britischeres Indiepoplied kenne ich nicht, aber mich erinnert es immer an die Phase, in der ich nach Paris ziehen wollte, um Louis Garrel kennenzulernen (der übrigens Monica Belluccis Liebhaber in besagtem Film spielt).«


4) Half the World Away – Oasis

»Manchmal ist es seltsam, wie Lieder, die man schon immer kannte, auf einmal zu absoluten Lieblingsliedern mutieren, und ein Tag kein richtiger Tag ist, bis man nicht genau jenes Lied gehört hat. So war es der Fall bei ›Half the World Away‹. Ich kannte das Lied seit Ewigkeiten, aber erst letztes Jahr wandelte es sich in ein Lied, das ich bis heute jeden Tag mindestens einmal höre. Ich saß nach einer besonders harten Niederlage in einer schäbigen Bar in Birmingham, als einer der Bartender erwähnte, dass es hier noch einen Hinterraum gibt, in der Live-Musik läuft. Ich begab mich nach hinten, wo eine Band spielte, die nicht viel älter als 17 war – eher jünger – und entsprechendes Publikum versammelte sich vor der Bühne. Ich war eindeutig der Dinosaurier im Raum. Der Leadsänger spielte mit Akustikgitarre und sich selbst ein Cover von ›Half the World Away‹ als Zugabe und ich war verliebt. In das Lied, nicht den Sänger.«


5) This modern love – Bloc Party

»Während meiner Schulzeit war Bloc Party meine absolut unangefochtene Nummer eins, was Bands betraf. Als sie nach monatelangem Warten endlich nach Deutschland kamen, kaufte ich sofort drei Tickets. Es war klar, dass mein bester Freund mitkommen würde, und die dritte Karte würden wir schon unterbekommen. Am Ende wurde es hektisch, weil wir doch niemanden finden konnten, der unter der Woche mit uns zu einer Band gehen wollte, die damals kaum einer kannte. Ich rief Sanny an, ein mir damals halbwegs bekanntes Mädchen, das zufällig in der Nähe meines besten Freundes wohnte – also schlicht und ergreifend aus Gründen der Logistik. Sie sagte spontan zu. Es war bis heute eines der besten Konzerte, das ich jemals besucht habe, und Sanny und ich sind inzwischen allerbeste Freundinnen. ›This Modern Love‹ ist unser gemeinsames Lieblingslied des ersten Albums ›Silent Alarm‹ und für mich einer der besten Songs der letzten zwei Dekaden.«



6) Simply rollin’ – Two Gallants
»Die Two Gallants sind eine Band aus San Francisco, die sich nach einer Kurzgeschichte von James Joyce benannt haben, was mir schon einmal grundsätzlich sympathisch ist. Ihre Musik allerdings klingt, als wäre sie im tiefsten Süden der USA entstanden, oder eben mitten in Kansas. In der Zeit, in der ich sie entdeckt habe, las ich Truman Capotes ›In Cold Blood‹, das tatsächlich in Kansas spielt, und dieses Lied und dieses Buch passen einfach wie die Faust aufs Auge zueinander. Vom Schicksalsglauben verfolgt war ich zu der Zeit überzeugt, ich würde eines Tages in Kansas enden. Bis ich herausfand, dass die Band aus San Francisco stammt – und der Traum war geplatzt.«

7) Tes airs de rien – Cyril Mokaiesh
»Cyril Mokaiesh ist ein moderner französischer Chanson-Sänger – und man mag es mir glauben oder nicht, er hat früher in der Jugendzeit mit mir Tennis gespielt. Ich sah ihn das erste Mal auf einem Jugendturnier in der Nähe von Nizza, landeinwärts in einem französischen Dorf, es regnete. Ich war sofort verliebt – diese traurigen Augen! Die Wahrheit ist, es war auch das einzige Mal, dass ich ihn sah. Anscheinend war er nicht so wirklich gut als Tennisspieler, aber dafür wunderschön. Zehn Jahre später fand ich heraus, dank Google, Internet und Konsorten, dass er inzwischen Musik macht – und zwar richtig gute. ›Tes Airs De Rien‹ ist mein absolutes Lieblingslied in der französischen Sprache. Cyril habe ich leider nie wieder gesehen, aber ich wette, er ist immer noch wunderschön.«