Jawohl, mein Meister

Tennisprofi Andrea Petkovic hatte schon viele Trainer, und die meisten haben ihr etwas fürs Leben beigebracht. Vor allem hat sie gelernt: Manchmal ist es gut, blind zu vertrauen. 

Andrea Petkovic wurde für ihr Vertrauen in Trainer schon oft belohnt.

Foto: privat

Wir kennen uns zwar nicht, aber: Würden Sie bei mir eine Woche lang freiwillig den Boden schrubben, das Auto polieren, das Haus renovieren und den Zaun streichen? Nein? Auch nicht, wenn ich Ihnen versichere, dass die Schufterei nicht mir, sondern Ihnen selbst etwas bringt? Okay, kann ich Ihnen nicht verübeln, da müssten sie mir schon einen sehr, sehr großen Vertrauensvorschuss entgegenbringen.

Manchmal aber zahlt sich genau das, also das fast blinde Vertrauen, wirklich aus. Wenn man einfach macht, was jemand sagt, ohne zu wissen, warum oder wo es hinführt. Zum Beispiel bei Kindern, die ihren Eltern in vielen Fällen vertrauen sollten, weil die tatsächlich schon ein bisschen mehr Lebenserfahrung auf dem Buckel haben – das mit dem Lernen für Schularbeiten hat rückblickend echt Sinn gemacht, danke, Mama und Papa! Oder, nächstes Beispiel: bei Sportlern und ihren Trainern.

Bevor ich aber zu mir selbst komme, möchte ich der Anschaulichkeit halber erst ein paar Worte zum Mentor aller Mentoren des klassischen Sportfilms verlieren, einige von Ihnen werden die Anspielung zu Beginn eh schon verstanden haben: Das ist eine Szene aus »Karate Kid«, und der, der sich den Boden schrubben lässt, ist Meister Miyagi. Er lässt seinen Schüler Daniel oder Daniel-san, wie er ihn japanisch-höflich nennt, in der ersten Woche, in der er ihm eigentlich Karate beibringen soll, nur langweilige Hausarbeiten verrichten. Später stellt sich heraus, dass hinter jeder einzelnen Bewegung der Hausarbeit eine ihm bis dahin unbekannte Karatetechnik verborgen liegt. Das Vertrauen hat sich also gelohnt. Daniel-san alias »Karate Kid« hat allerdings auch nicht wirklich eine andere Wahl, wenn er nicht weiterhin von seinen Schulkameraden verprügelt werden will.

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Ich habe dagegen eine Wahl, wenn es um meinen Mentor beziehungsweise Trainer geht, und das macht es im echten Leben manchmal kompliziert. Einerseits bleibt mir nichts anderes übrig, als dieser Person einen großen Vertrauensvorschuss entgegenzubringen, wenn ich es zu etwas bringen möchte. Und andererseits kann ich genau diese Person jederzeit feuern, wenn irgendwas nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle. Das liegt an der merkwürdigen Beziehungsdynamik zwischen Tennisspielern und Trainern, denn im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten bezahlen wir unseren Coach selbst, er ist unser Angestellter sozusagen. Und gleichzeitig ist er unser Boss, der sagt, was wir tun sollen.

Oftmals ist es gar nicht schlecht, wenn man Leute an seiner Seite hat, an denen man sich reiben kann.

Mich hat es immer fasziniert, wie die besten Mentoren und Trainer der Welt - Beispiel Meister Miyagi - es schaffen, jemandem etwas beizubringen, ohne ihn gleichzeitig abhängig von sich zu machen. Denn wenn man einen jungen Menschen an die Hand nimmt und ihm hilft, schnellere Lösungen für Probleme zu finden, bindet man diesen jungen Menschen automatisch an sich. Die besondere Aufgabe eines Trainers oder Lehrers besteht deshalb darin, dem Schüler die Fähigkeiten und Methoden an die Hand zu geben, um größer als der Lehrer selbst werden zu können. Und irgendwann ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wenn der Trainer oder Lehrer das schafft, beweist er wahre Größe.

Ein Fehler, der dagegen in der Lehrer-Schüler- oder Trainer-Sportler-Konstellation immer wieder passiert, ist das schnelle Lösen von temporären Problemen, ohne das große Ganze im Blick zu haben. Ein Phänomen, das man im Fußball übrigens häufiger sieht, wenn ein sogenannter Feuerwehrmann als Notfall-Trainer zum Einsatz kommt. Es geht dann oft darum, mit viel Motivationskunst irgendwie noch die Klasse zu halten. Fußballlehrer wie Pep Guardiola dagegen versuchen, ihre Spieler zu mündigen Entscheidern auf dem Platz zu machen und ihnen etwas für die gesamte Karriere mitzugeben (zumindest schätze ich das mit meinen beschränkten Fußballkenntnissen so ein).

Ich habe von allen meinen Trainern, egal wie lange wir zusammenarbeiteten, immer etwas mitgenommen. Manchmal war es ein konkreter Hinweis für mein Spiel, aber oft waren es Dinge, die mir über das Tennisspielen hinaus den Weg gewiesen haben. Einer meiner Trainer hat mir beigebracht, wie ich mich auf den Punkt genau in vollste Konzentration begeben kann. Ein anderer hat mir dabei geholfen, meine Emotionen besser zu kontrollieren. Der Dritte hat mir gezeigt, dass ich es hasse, in Abhängigkeit gebracht zu werden, und der Vierte hat mir vor Augen geführt, dass ich lernen muss, besser zu kommunizieren. Manchmal hat es mein Spiel besser gemacht, manchmal schlechter, aber immer habe ich fürs Leben gelernt.

Was ich eigentlich sagen will: Oftmals ist es gar nicht schlecht, wenn man Leute an seiner Seite hat, an denen man sich reiben kann. Im Privaten vielleicht buchstäblich, aber in diesem Fall meine ich den übertragenen Sinn. Wo Spannung herrscht, entsteht Neues - und die Resultate sind oft nicht unmittelbar ersichtlich für den Lernenden. So wie Daniel-san nicht wusste, warum er Meister Miyagis Boden putzen sollte. Aber wenn Sie das Glück haben, einen Meister des Fachs vor sich stehen zu haben, der dazu noch Chuzpe und Menschenkenntnis mitbringt, dann werden auch Sie in kürzester Zeit Karate können. Im übertragenden Sinne. Von mir aus aber auch im bildlichen.