Auf Wiederlesen

Zum Abschluss ihrer Kolumne verrät Tennisprofi Andrea Petkovic ihre fünf liebsten Filme – und in welcher Lebenssituation man diese mit welchem Getränk konsumieren sollte. 

Andrea Petkovic bewegt sich gerade stark auf »30 Love« zu.

Foto: Privat

Es gibt zwei Arten von Filmen, die mich ansprechen und die ich deswegen in zwei Kategorien einteile. Ich habe sie »französische Filme« und »alle anderen« getauft. Zugegeben, keine besonders einfallsreichen Namen, aber sie erfüllen ihren Zweck. Französische Filme sind für mich Filme, die die Bauhaus-Definition »Die Form folgt der Funktion« auf den Kopf stellen. Die Ästhetik ist wichtiger als die Aussage, und während wir damit beschäftigt sind, die wunderschönsten Bilder zu verarbeiten, fällt uns gar nicht auf, dass der Film eigentlich nichts zu sagen hat.

Nun, einige aufmerksame Leser dieser Kolumne werden vielleicht denken, dass ich nach dem gleichen Prinzip auch meine Männer auswähle, aber ich versichere Ihnen, ich bewege mich gerade stark auf »30 Love« zu und weg von »20 something and really hot«. Man wird erwachsen, was soll ich sagen.

Aber zurück zum Film: Nicht jeder Film, der in die Kategorie »französischer Film« fällt, ist französisch. Aber die Franzosen haben mit ihrer »Nouvelle Vague« damit angefangen und jetzt müssen sie eben damit leben, in deutschen Kolumnen in Schubladen gesteckt zu werden.

Und dann gibt es die andere Art Film. Diejenige, die dir unerbittlich einen Faustschlag in die Magengrube verpasst. Die dir grüne und gelbe Rotze aus der Nase auf die Oberlippe laufen lässt. Bei der du so sehr heulst, dass du nicht ganz sicher bist, ob du einen allergischen Schock erlitten hast oder dir diese überwältigenden Emotionen die Kehle zusammenschnüren.

Diese Art von Film sieht nicht immer schön aus, ist nicht immer cool und manchmal kommt sie als amerikanischer Highschool-Teenager-Film daher, basiert aber in Wirklichkeit auf einer Shakespeare-Komödie. Ich rede von 10 Dinge, die ich an dir hasse, und das soll der Anfang und das Ende sein. Der Anfang, weil er den Anfang von fünf Filmen machen wird, die ich Ihnen für bestimmte Lebenslagen ans Herz legen will.

Und das Ende, weil dies der Abschluss meiner Kolumne sein wird. Falls Sie sich jetzt eine Träne aus dem Auge gewischt haben, dann wissen Sie: Bei mir waren es drei.

1) 10 Dinge, die ich an dir hasse. Ein Highschool-Teenager-Film, dessen Drehbuch auf der Shakespeare-Komödie Der Widerspenstigen Zähmung basiert, in der die weibliche Hauptrolle Romane von Sylvia Plath liest und der Englischlehrer Gedichte von Keats rappt. Beim Gucken trifft er mich jedes Mal inmitten der Stelle, die ungefähr zwischen den Augenbrauen liegt und ergießt sich von dort als silbern-bleierne Flüssigkeit hinunter zu meinem Herzen, das einen Dorn namens Heath Ledger in sich trägt. Schauen Sie den Film sonntagnachmittags zu »Stella«-Bier und Soft Pretzels, wenn alle ihre Freunde, die schlauere Lebensentscheidung treffen als Sie, im Wald spazieren und in der Natur ihrer Freiheit und den eigenen Gedanken frönen. Völlig überbewertet, finde ich, wenn man stattdessen feministischen Parolen einer 17-Jährigen lauschen kann, die schlechte Gedichte schreibt und schwarze Ledermäntel trägt.

2) Lost in Translation. Eine jugendliche Scarlett Johansson, die mit all der Unschuld und Sinnlichkeit, die sie aufzubringen vermag, nachts in Hotelfenstern und -bars sitzt. Die mit Bill Murray Karaoke singt und dabei pinkfarbene Perücken trägt. Und die Szene, die den Abschied der beiden mitten auf Tokios Bahngleisen zeigt und wie Bill Murray Scarlett Johansson etwas ins Ohr flüstert. Ganze Armeen von Internetkünstlern haben bereits versucht zu erkennen, was er wohl gesagt hat. Die Schauspieler schweigen eisern. Meine favorisierte Version ist: »I have to be leaving, but I won’t let that come between us. Okay?« Schauen Sie den Film nach einem langen Flug, wenn Sie zu übermüdet sind, um zu schlafen, in einem leeren Hotelzimmer in einem Land, dessen Sprache Sie nicht sprechen und dessen Sitten Sie nicht verstehen. Trinken Sie Suntory Whiskey dazu und weinen Sie leise in Ihr Kissen. Hinterfragen Sie am nächsten Morgen nicht, woher die Feuchtigkeit unter ihrer linken Wange kommt.

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3) La Grande Bellezza. Ein italienischer Film der Kategorie »französischer Film«. Er ist einer der schönsten Filme, die ich je gesehen habe. Bereits die erste Feierszene zu treibenden Beats, mit schwitzenden, skurrilen, tanzenden Menschen im römischen Nachtleben, hat mich abgeholt und nicht wieder nach Hause zurückgebracht. Jede Einstellung ist ein kleines Wunderwerk an Talent, Schönheit und Dekadenz. Nebenher geht es – glaube ich – um einen alternden, einst berühmten Schriftsteller, der stets an Liebe und Wein scheitert, aber das ist alles nicht wichtig. Wichtig ist einzig und allein, dass Sie den Film in der Originalsprache Italienisch gucken, kein Wort verstehen, aber jede Geste interpretieren. Ich empfehle dazu Weißwein in gekühlten Gläsern und gegrillten Oktopus auf Salbeiblättern, schwimmend in Olivenöl.

4) Mommy. Xavier Dolans fünfter Spielfilm und sein bester. Der Jungregisseur ist erst 29 Jahre alt und setzt sich in seinen Filmen obsessiv häufig mit der Beziehung zu seiner Mutter auseinander. Sein erster Film hieß wenig subtil Ich habe meine Mutter getötet. Falls er sie in seinem ersten Film metaphorisch zu Grabe getragen hat, so buddelt er sie in Mommy wieder aus und trägt sie auf einem Thron durch die beengten Straßen einer beengten Vorstadt zwischen beengten Geistern. Eine Ode an alle Mütter, die sich jeden Tag aufs Neue für ihre Kinder aufgeben und dabei eine unerschütterliche Heldenhaftigkeit und Würde im Angesicht des Lebens aufbringen, die wirklich keiner von uns verdient hat. Und so stehen wir auf Ewigkeit in der Schuld, die wir nur abtragen können, indem wir diesen Film so oft wie möglich ansehen. Pures Wasser ohne Kohlensäure hierzu, für alles Stärkere kann keine Garantie ausgesprochen werden.

5) Blau ist eine warme Farbe. Sie wollen eine Coming-of-Age Geschichte, die realistischste Darstellung des Anfangs und des Endes einer Beziehung sehen, sich dabei das Herz aus dem Leibe reißen lassen, es den Drachen zum Fraß vorwerfen, um es sich dann in unerkennbarer Form wieder einzusetzen? Dann sind Sie hier genau richtig. Gerüchte besagen, dass Abdellatif Kechiche, der Regisseur des Films, einzelne Szenen teilweise tagelang dreht, bis sie so aussehen, wie er sich das vorstellt und die Schauspieler endgültig vergessen haben, dass sie an einem Filmset sind. Denken Sie mal ab und zu daran, wenn Sie einige der Szenen sehen und senden Sie danach alle imaginären Oskars der Welt an die zwei Hauptdarstellerinnen Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos. Ich würde einen guten, schweren Rotwein aus Frankreich dazu trinken. Am besten zwei Flaschen, denn, kleiner Spoiler: Der Film ist drei Stunden und sieben Minuten lang. Vergessen Sie den Käse nicht und ab einer Stunde und 30 Minuten sind Austern ein Muss.

Das war’s also. Ich hoffe, Sie hatten ein wenig Spaß mit mir und »30- Love«. Mir hat ein weiser Mensch mal gesagt, wenn man sich für einen längeren Zeitraum verabschiedet, dann sollte man das stets mit großen Worten tun. Deswegen gehe ich mit Shakespeare und damit, wie ich mein Leben auf ewig zu leben gedenke: I burn, I pine. I perish.

Auf Wiederlesen. (Das ist aber nicht von Shakespeare)