Unterwürfig, verfügbar, willig

Die Fetischisierung und Hypersexualisierung von asiatischen Frauen ist in Deutschland immer noch alltäglich. Das Gemisch aus Sexismus und Rassismus ist nicht nur traumatisierend, sondern bisweilen auch lebensgefährlich.

Die Illustratorin Babeth Lafon schuf diese Zeichnung unter dem Eindruck weltweit massiv gestiegener Anfeindungen gegen asiatisch gelesene Menschen: »Das ängstigt uns, das gibt uns das Gefühl, machtlos zu sein, es beschämt uns und lässt unser Selbstwertgefühl erodieren«, schreibt sie.  

Illustration: instagram.com/babethlafon

Letzte Woche sind im US-Bundesstaat Georgia acht Frauen asiatischer Abstammung in Massagesalons erschossen worden. Während die US-Behörden noch vorsichtig waren, sich zum Tatmotiv des Attentäters zu äußern, ging in asiatischen Communities auch in Deutschland die Angst um: War das ein rassistischer Terroranschlag gegen uns? Ist das der Höhepunkt von Donald Trumps hassschürender Rhetorik vom »China-Virus«?

Der Tatverdächtige bestreitet das. Er gab bei seiner Vernehmung »Sexsucht« als Tatmotiv an. Die von ihm attackierten Salons habe er als »Versuchung« betrachtet, die er habe eliminieren wollen. Warum hatte der Täter überhaupt das Gefühl, dass Massagesalons mit mehrheitlich asiatischen Mitarbeiterinnen eine »Versuchung« für ihn darstellen? Bei vielen asiatisch gelesenen Frauen in Deutschland wecken diese Worte traumatische Erinnerungen. Auch bei mir. An anzügliche, witzelnde Fragen von Mitschülern an meinen ersten Freund, aus welchem Katalog er mich denn bestellt habe. An ältere Männer, die mich, damals kaum 20, bei meinem Nebenjob im Zimmerservice eines Luxushotels mit lüsternem Blick fragten, woher ich denn käme? An schlimme Online-Dating-Erfahrungen, die ich als junge Frau machte – mit Männern, die mir schrieben, wie schön sie meine schwarzen, seidigen Haare und meine Mandelaugen fänden. Und an Gespräche mit Freundinnen, die ähnliche Erfahrungen machten und Nachrichten bekamen, ob sie denn »unten genauso eng« wären wie ihre Augen.

Dieser sexualisierende Blick auf asiatisch gelesene Frauen, vor allem von weißen Männern, hat eine lange Geschichte, die unter anderem von Kolonialismus, Kriegen, Migration und der Etablierung des Massen-Sextourismus geprägt wurde. Tenor: Asiatische Frauen seien willig, devot und unterwürfig, aber Monster im Bett. Manifestiert in der weißen Wahrnehmung wurde dieses Narrativ vor allem durch die Beteiligung der USA an mehreren Kriegen in Asien: Im Vietnamkrieg entstand eine große Sexindustrie – nicht nur in Vietnam, sondern auch in den US-Stützpunkten in Thailand und auf den Philippinen.

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Nach dem Ende des Krieges und dem Abzug der US-Truppen waren die Voraussetzungen für den heutigen Sextourismus geschaffen, die Etablierung des Massentourismus machten Sextourismus erschwinglich für die breite Masse. Seit dem Ende der 70er Jahre flogen auch tausende Männer aus Deutschland vor allem nach Thailand, getrieben von der Verheißung der willigen, hübschen, sexuell abenteuerlichen Frauen in Asien, die alles für ihre Männer tun. Neckermänner nannte man sie abschätzig – weil solche Reisen häufig von der Firma Neckermann organisiert wurden. Viele Deutsche eröffneten in Pattaya und Patpong Heiratsvermittlungen, mit Werbeslogans wie »anschmiegsame Thailänderin oder Philippina«, mit »Rückgaberecht bei Nichtgefallen«.

Die Einstellungen vieler deutscher Männer gegenüber Asiatinnen legte schon 1979 der Kabarettist Gerhard Polt in seinem bitterbösen Sketch über die Katalog-Ehefrau »Mai Ling« offen. Darin spielt Polt den Ehemann, der neben seiner devoten, asiatischen Ehefrau sitzt und über seine Ehe erzählt: »2785 Mark ab Bangkok Airport« habe Mai Ling gekostet, »für 500 Mark mehr hätte ich auch eine Vietnamesin bekommen. Die sind noch etwas robuster, aber da gehen jetzt natürlich die Meinungen auseinander«. Über ihre sexuellen Fähigkeiten sinniert er: »Sie ist da auch sehr flexibel und anschmiegsam. Überhaupt – das Schlafzimmer. Also, da sind sie ja berühmt, die Asiatinnen.«

Polts Satire kann man noch als Gesellschaftskritik verstehen. Darstellungen von Asiatinnen der jüngeren Vergangenheit in der deutschen Unterhaltungsindustrie eher nicht. Klischees wurden nicht hinterfragt, sondern häufig übernommen und romantisiert. Beispiele: Anke Engelke, die für die Serie »Ladykracher« in die Rolle der Katalog-Ehefrau »Mae Ying« schlüpfte, komplett mit Yellowface und einem »asiatischem Akzent« (Engelke hat sich vor zwei Jahren entschuldigt und davon distanziert). Oder Filme wie die WDR-Produktion »Jahr des Drachen« aus dem Jahr 2012, die die Geschichte vom 50-jährigen Familienvater Thomas erzählt, der sich in Vietnam in die junge, hübsche Bardame Huong verliebt.

Die Fetischisierung und Hypersexualisierung von asiatischen Frauen sind also nicht nur USA-spezifische Phänomene, sondern auch hier in Deutschland weit verbreitet. Das liegt auch an der fehlenden Diversität in der deutschen Unterhaltungsbranche. Nicht-weiße Schauspieler*innen sind im deutschen Film unterrepräsentiert und werden häufig in klischeehafte, eindimensionale Rollen gesteckt. Asiatisch aussehende Schauspielerinnen sind in Polizeiserien häufig Mitglieder der chinesischen Mafia, Mitarbeiter*innen in Massagestudios, die Thai-Frau mit dem älteren Ehemann. Asiatisch gelesene Männer wiederum finden vor allem eher als Nerds statt, als entmännlichte Sonderlinge, die keine Frau abbekommen, statt als romantischer Held. Bei der Kampagne #meinerolleimdeutschenfilm weist etwa die vietdeutsche Schauspielerin Mai Duong Kieu (bekannt aus »Bad Banks«) auf die Problematik hin, dass sie keine stereotypen Rollen mehr spielen will.

Vergessene Morde in der BRD

Der Unterschied ist, dass diese Stereotype in den USA von Feministinnen und asiatischen Frauen schon lange problematisiert und kritisiert werden, während hier in Deutschland dafür noch wenig Bewusstsein herrscht. Rassismus, den asiatisch gelesene Personen erleben, wird häufig klein geredet oder gar abgetan: Asiat*innen seien fleißig, gut in der Schule, die Frauen hübsch, die Männer machten kaum Probleme, ansonsten ruhig, unsichtbar, eine sogenannte Vorzeigeminderheit. Das Problem: Rassismus mündet in Gewalt. Und dadurch, dass Rassismus gegen asiatische Communities wenig ernst genommen wird, wird auch rassistische Gewalt, die Menschen aus diesen Communities erleben, unsichtbar gemacht. Wem ist zum Beispiel noch bekannt, dass bei den Progromen von Rostock-Lichtenhagen mehrheitlich ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter*innen die Opfer waren? Erinnert sich die weiße Mehrheitsbevölkerung daran, dass der erste dokumentierte rassistische Mord in der Bundesrepublik 1980 an zwei Boatpeople aus Vietnam verübt wurde, von der rechten Terrorgruppe »Deutsche Aktionsgruppe«, die als Vorbilder für den späteren NSU gelten?

Der Anschlag in Atlanta machte Frauen wie mich, die als asiatisch wahrgenommen werden, deshalb so betroffen, weil wir das alles nur allzu gut kennen. Rassismus und Sexismus gegen asiatische Frauen hat eine lange, globale Geschichte – in der man mehrere Diskriminierungsebenen berücksichtigen muss, nicht getrennt voneinander. Sexismus und Rassismus wirken hier zusammen, sie entladen sich auf uns in Formen von widerlichen, anzüglichen Kommentaren, in Form von sexueller Gewalt, und im Fall des Angriffs in Georgia: in Morden. Auch hier, in Deutschland, erleben wir vor allem seit der Pandemie gewalttätige Übergriffe: Asiatisch aussehende Menschen wurden in U-Bahnen angespuckt, angegriffen, von ihren Nachbarn mit Desinfektionsmitteln attackiert. Rassismus gegen asiatische Personen ist real, das muss endlich anerkannt werden: von Behördenseite, von den Medien, von der Unterhaltungsbranche, von der breiten Zivilgesellschaft. Denn dass wir, unsere Geschäfte, die Blumenläden, Imbisse, Restaurants oder Massagesalons unserer Eltern und Bekannten, auch als mögliche Anschlagsziele in Betracht kommen, macht Angst.