In fünf Schritten zum Anti-Rassisten

Wie können sich Menschen, die nicht direkt unter Diskriminierung leiden, am besten gegen Rassismus engagieren? Unsere Kolumnistin hat fünf praxisnahe Ratschläge.

Foto: RosaMag

Neulich war es wieder mal soweit. Ich machte mir in der Küche meiner Bürogemeinschaft einen Kaffee, eine Kollegin erzählte etwas und wollte dabei eine Person beschreiben, die vermutlich Schwarz war. Nur: Sie wusste nicht, wie sie diesen Menschen nennen sollte. Es folgte betretenes Schweigen und der verunsicherte Satz: »Kann man das so sagen?« Diese Frage zu stellen, ist total in Ordnung, sogar wichtig. Ich höre sie mindestens zehn Mal pro Woche. Sie schmerzt aber auch, weil sie mich daran erinnert, wie viel Aufklärung über Rassismus weiterhin nötig und wie wenig Wissen darüber bei vielen vorhanden ist. Trotzdem lächele ich, zumindest an guten Tagen, und erkläre an noch besseren geduldig die richtige Wortwahl. Damit mein Umfeld keine Rassismen wiederholt, aber auch, um einen potentiellen »Ally« zu motivieren. Der Begriff stammt aus dem Englischen und beschreibt eine Person, die nicht zu einer diskriminierten Gruppe gehört, die Problematik aber versteht und bereit ist, dagegen vorzugehen. Solche Menschen braucht es im Kampf gegen den Rassismus, diesen können People of Color und Schwarze Menschen nämlich nicht alleine gewinnen. Aber wie wird man zum Ally? Diese fünf Schritte sind jedenfalls schon mal ein guter Anfang:  

1. Informiere dich eigenständig

Sich über Rassismus zu informieren, war noch nie so leicht wie heute. Viele Antworten auf Fragen, die Schwarze Menschen fast täglich, wie in einer Endlosschleife, beantworten müssen, kann man ganz leicht finden: Im Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen, auf Webseiten wie RosaMag, in Dokus, Erklärvideos und Podcasts, in den Büchern von Alice Hasters oder Natasha Kelly. Was ist falsch an einer vermeintlich harmlosen Frage wie »Woher kommst du«? Warum ist es nicht ok, jemandem in die Afro-Haare zu greifen? Das Wissen über diese Dinge ist dort draußen, und es zu finden, ist kinderleicht. All diese Empfehlungen warten nur darauf, gelesen, geschaut oder ausprobiert zu werden.  

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2. Spiel dich nicht auf

Falls du eine Goldmedaille als »Größter Anti-Rassist aller Zeiten« gewinnen möchtest, lass es lieber bleiben. Im Kampf für Unterdrückte geht es um, rate mal, Unterdrückte. Nicht um Weiße, die Diskriminierung nur vom Hörensagen kennen und den Kampf auch deshalb aufgenommen haben, um ihr Ego zu füttern und Anerkennung von ihrem Umfeld zu bekommen. Fokussiere dich auf die gemeinsame Sache, statt auf deine Befindlichkeit.  

3. Greif ein

Ob an der Kasse, bei einem Meeting oder abends im Club: Wenn du mitbekommst, dass etwas Unrechtes geschieht, dass diskriminierende Begriffe gebraucht oder rassistische Stereotypen verbreitet werden, dann greif ein. Auch wenn es – gerade zu Beginn – unangenehm ist. Manche rassistische Vorfälle wie der Tod von George Floyd oder die Schüsse auf Jacob Blake machen weltweit Schlagzeilen, und es ist richtig, dagegen zu demonstrieren. Mehr bewirken kannst du aber im Zweifelsfall vor deiner Haustür und in deinem direkten Umfeld – und leider wirst du wahrscheinlich auch dort genug finden, was im Argen liegt. Beginne den Kampf also im kleinen – und greif nicht nur bei Rassismus ein, sondern wende dich auch gegen Sexismus und andere Formen der Diskriminierung.  

4. Nutze deine Privilegien

Als light-skinned Person habe ich einige Privilegien, obwohl ich auch von Rassismus betroffen bin. Mit diesem Wissen nutze ich bestimmte Situationen, um andere Menschen ins Gespräch zu bringen. Längst nicht in allen, aber doch in vielen Berufen kann man durchaus etwas bewirken, wenn man anti-rassistische Ideen und Verhaltensweisen in die berufliche Praxis einbringt. Du sitzt in einer Bild- oder Social-Media-Redaktion und entscheidest jeden Tag, welche Visuals ausgewählt werden? Dann nutze deine Position und schlag BIPoC – Black Indigenous People of Color – vor. Ein Event steht an? Dann setze dich dafür ein, dass neue Perspektiven eingeladen werden. Deine Firma vergibt einen Job? Du könntest anregen, dass in der Stellenausschreibung auf diskriminierungsfreie Sprache geachtet wirde. Beginne mitzudenken und übertrage deine Privilegien auf Menschen, die sie nicht haben.  

5. Bleib dran

Rassismus ist kompliziert und hartnäckig, und braucht auch hartnäckige Gegner*innen. Ein Ally zu werden, ist nichts, was man mal so nebenbei durchziehen kann. Es ist ein langer gedanklicher De-Kolonialisierungsprozess in einer Welt, in der du immer wieder rassistische Werbung, Bilder, Filme, Artikel siehst. In der Freund*innen dir vorwerfen, »Mensch, du verstehst ja gar kein Spaß mehr!« oder Kolleg*innen dich als »Sprachpolizei« bezeichnen. Du wirst Fehler machen, die dich demotivieren, und in unangenehme Konflikte geraten, aber der Weg lohnt sich. Nicht nur, weil du aktiv gegen Rassismus kämpfst, sondern weil es gut tut, die Welt, in der wir leben, gemeinsam ein kleines bisschen besser zu machen.

Glossar:

weiß: Wird kursiv geschrieben, denn weiß meint nicht lediglich den Hautton einer Person, sondern eine gesellschaftlich dominante Machtposition, die mit Privilegien verbunden ist.

Schwarz
: Wird groß geschrieben, da es, ebenso wie weiß, nicht den Hautton einer Person meint, sondern eine Selbstbezeichnung ist, die die politische und gesellschaftliche Positionierung einer Person beschreibt. Das Schwarze Subjekt ist gesellschafts-politisch und strukturell immer untergeordnet. Schwarz umfasst alle Personen(-gruppen) afrikanischer Herkunft.

People of Color
: Ist eine Selbstbezeichnung für unterschiedlichste Personen(-gruppen), die sich als nicht-weiß definieren. Diese können sehr heterogen sein und noch mal andere Selbstbezeichnungen verwenden, zum Beispiel:

Asian: Meint zumeist Personen mit ostasiatischem Erbe.
Desi: Ist eine Selbstbezeichnung von Personen mit südasiatischem Erbe.
Brown: Meint zumeist Personen mit südostasiatischem Erbe.
Latinx: Ist ein Sammelbegriff für Personen mit süd-/mittelamerikanischem Hintergrund. Die Endung x versucht, die Binarität (männlich/weiblich) der spanischen Sprache aufzubrechen.