Warum die Behauptung vom Exotenbonus so perfide ist

Die Meinung, Schwarze würden im Beruf oft aufgrund ihrer Hautfarbe nicht benachteiligt, sondern sogar profitieren, ist erschreckend weit verbreitet. Unsere Autorin muss da mal was klarstellen.

Ciani-Sophia Hoeder, 30, kommt aus Berlin und ist Gründerin von RosaMag, dem ersten Online-Lifestylemagazin für Schwarze Frauen im deutschsprachigen Raum.

Foto: RosaMag

»Diversität ist ja schon ein Trend, ne?« Das sagten neulich Bekannte zu mir, nachdem ich ihnen von einem tollen neuen Auftrag erzählt hatte. Da war sie wieder, die »Nur weil du Schwarz bist«-Aussage. Sätze dieser Art habe ich schon sehr häufig gehört, genauso häufig wie »Woher kommst du«, »Das liegt euch Schwarzen ja im Blut« und »Darf man das jetzt nicht mehr sagen, war doch nur Spaß«. Auch diesmal versuchten meine Bekannten, den Satz als harmlose, flapsige Bemerkung abzutun, tatsächlich trat hier aber wieder einmal eines der gängigsten rassistischen Vorurteile auf: der Exotenbonus. Damit ist gemeint, dass Schwarze Personen keineswegs diskriminiert, sondern im Berufsleben bevorzugt werden, also sogar von ihrer Hautfarbe profitieren. Wenn einem mal ein Erfolg gelingt, liegt das demzufolge nicht an den eigenen Fähigkeiten. Die Freude, die man eben noch empfand, wird von weißen Kolleg*innen oder Bekannten mit einem fiesen »Jaja, die Quote!« zerschmettert.

»Kein Wunder, dass du die Eins bekommen hast. Die Professor*innen hatten bestimmt Angst als rassistisch zu gelten, wenn sie dir nur eine Drei gegeben hätten.« Diesen Satz musste sich Shakira, die ich fürs RosaMag interviewte, anhören, nachdem sie ihren Masterabschluss in Kulturwissenschaften und Geschichte in den Händen hielt. Nicht ihre Intelligenz oder ihr Fleiß standen im Mittelpunkt, nein, lediglich ihre Hautfarbe. Ähnliches erlebte auch meine Bekannte Miriam bei ihrem Aushilfsjob bei einer US-Kaffeehauskette, als sie gefragt wurde, ob sie nicht Lust habe, für ein paar Webseiten-Bilder zu modeln. Kommentar ihrer Chefin: »Bestimmt nur, weil du schwarz bist!« Bemerkungen dieser Art haben bestimmt schon viele Schwarze Personen gehört, die in Deutschland aufwachsen, das Bedürfnis, uns Fähigkeiten abzusprechen und Erfolge zu vermiesen, scheint weit verbreitet zu sein. Woran kann das liegen?

Könnte es sein, dass dieser Vorwurf unbewusst auch dazu dient, von den eigenen Privilegien abzulenken, also vom »Normalobonus«, den weiße Menschen häufig genießen?

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Denn tatsächlich ist es ja genau andersherum: Menschen mit einer  Migrationsgeschichte haben in Deutschland in der Regel schlechtere Berufschancen als der oder die weiße Durchschnittsbürger*in, wie zum Beispiel diese Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt, einer arbeitgebernahen Forschungseinrichtung. Die Idee des sozialen Aufstiegs, also dass man es mit Hartnäckigkeit und Fleiß aus eigener Kraft nach oben schafft, ist demnach eher Märchen oder Ausnahme als soziale Realität; für Menschen mit Migrationsgeschichte sogar im besonderen Maße.


Im Satz »Nur weil du schwarz bist« steckt also die Weigerung, die strukturellen Herausforderungen zur Kenntnis zu nehmen, die Schwarze Menschen erleben. Er bagatellisiert ihre Erfolge. Vielen scheint der Gedanke unmöglich zu sein, dass eine Schwarze Person tatsächlich einfach gut ist in dem, was sie tut. Dazu trägt auch unser kulturelles Klima bei, mit den Rollen, die es Schwarzen immer noch überwiegend zuschreibt: Im Fernsehen sehe ich Schwarze Menschen meist als Gangster, Kriminelle, Sportler oder Entertainer, wenn nicht gar nur als Beigabe, so wie die tanzenden Frauen in HipHop-Videos. Natürlich gibt es inzwischen auch ein paar Beispiele von Schwarzen Menschen, die in Politik und Wirtschaft erfolgreich sind. Aber was wird dann gleich über sie gesagt? Genau, Exotenbonus.

Und noch ein zweiter Grund fällt mir ein, warum der Mythos vom Exotenbonus so hartnäckig weiterlebt. Könnte es sein, dass dieser Vorwurf unbewusst auch dazu dient, von den eigenen Privilegien abzulenken, also vom »Normalobonus«, den weiße Menschen häufig genießen? Denn dass Menschen ohne viel eigene Leistung, sondern hauptsächlich dank externer Förderung nach oben kommen, das gibt es ja. Nur eben viel häufiger bei Weißen – dank familiärer Verbindungen, teilweise seit Generationen bestehender Netzwerke oder der traurigen Tatsache, dass viele Personalchefs einem weißen Mann, der vor ihnen sitzt, immer noch mehr zutrauen als einer Schwarzen Frau.

Glossar:

weiß: Wird kursiv geschrieben, denn weiß meint nicht lediglich den Hautton einer Person, sondern eine gesellschaftlich dominante Machtposition, die mit Privilegien verbunden ist.

Schwarz
: Wird groß geschrieben, da es, ebenso wie weiß, nicht den Hautton einer Person meint, sondern eine Selbstbezeichnung ist, die die politische und gesellschaftliche Positionierung einer Person beschreibt. Das Schwarze Subjekt ist gesellschafts-politisch und strukturell immer untergeordnet. Schwarz umfasst alle Personen(-gruppen) afrikanischer Herkunft.

People of Color
: Ist eine Selbstbezeichnung für unterschiedlichste Personen(-gruppen), die sich als nicht-weiß definieren. Diese können sehr heterogen sein und noch mal andere Selbstbezeichnungen verwenden, zum Beispiel:

Asian: Meint zumeist Personen mit ostasiatischem Erbe.
Desi: Ist eine Selbstbezeichnung von Personen mit südasiatischem Erbe.
Brown: Meint zumeist Personen mit südostasiatischem Erbe.
Latinx: Ist ein Sammelbegriff für Personen mit süd-/mittelamerikanischem Hintergrund. Die Endung x versucht, die Binarität (männlich/weiblich) der spanischen Sprache aufzubrechen.