Da steht er nun, der arme Tor

Der Faust-Aufsatz des Sohnes unserer Leserin wird von seiner Lehrerin vor der ganzen Klasse als Negativbeispiel analysiert. Ist das pädagogisch vertretbar oder schon Mobbing?

Ilustration: Serge Bloch

»Mein Sohn besucht die Oberstufe eines Regensburger Gymnasiums. Sein Faust-Aufsatz wurde als Negativbeispiel an die Wand projiziert und zur Diskussion gestellt. Ist das Mobbing, Rückfall in Erziehungsmethoden der Dreißigerjahre oder akzeptable zeitgemäße Pädagogik? Wie geht man damit angemessen um?« Koord S., Regensburg

Ich habe das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus gefragt, was die über Ihren Fall sagen. Die Antwort: Man kenne zwar die konkrete Unterrichtssituation nicht, gehe aber allgemein davon aus, dass bei einer Besprechung von Deutschaufsätzen Schülerbeispiele so behandelt würden, dass der Verfasser entweder anonym bleibe – oder aber die Lehrkraft auf eine wertschätzende, den Verfasser motivierende Diskussion und Rückmeldung achte.

Dies scheint ja beides nicht der Fall gewesen zu sein. Zeitgemäß ist die Methode des Lehrers bzw. der Lehrerin Ihres Sohnes also nicht. Es ist allerdings auch kein einzigartiger Rückfall in die Pädagogik der 1930er-Jahre, dafür kenne ich zu viele Fälle aus späteren Zeiten. Eine Bekannte von mir, um nur ein Beispiel zu nennen, nahm in den Achtzigerjahren in Hamburg an einem Malwettbewerb teil. Den ersten Preis gewann sie nicht. Auch nicht den zweiten oder dritten. Dafür wurde eigens für sie ein neuer Preis ausgelobt und öffentlich verkündet: der Preis für das schlechteste Bild. Ich glaube, sie hat die Sache ganz gut verkraftet, es ist, wie man so sagt, etwas aus ihr geworden, allerdings ist nicht auszuschließen, dass ohne diese Erfahrung, von der sie noch Jahrzehnte später hin und wieder sprach, ein zweiter Picasso aus ihr geworden wäre. Ich bin mir sicher, dass solche frühen Demütigungen gerade sensible Menschen nachhaltig prägen.

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Was also können Sie konkret tun? Das ­Kultusministerium empfiehlt Ihnen, das ­Gespräch mit der betreffenden Lehrkraft zu suchen. Am besten im Rahmen der Sprechstunde. Sollte ein solches Gespräch nicht zufriedenstellend verlaufen, bestehe die Möglichkeit, das Gespräch mit der Schulleitung zu suchen. Und sollten Sie dabei herausfinden, dass diese Lehrmethode im Sinne dieser Schule ist, habe ich schon mal nachgesehen: Es gibt acht Gymnasien in Regensburg, da ist also Spielraum.