Warum ich Tier-Feministin bin

Vegetarische Ernährung beendet nur das männliche Tierleid. Die weiblichen Tiere müssen ein Leben lang leiden, weil Menschen Eier, Milch und Geburten von ihnen wollen.

Foto: Julia Sellmann

Mein Mann hat früher die Show Elton vs. Simon produziert. Das Konzept war, dass die beiden in verschiedenen Disziplinen gegeneinander antreten. Mein Mann hat mir mal eine fertige Folge gezeigt, in der es darum ging, wer länger auf einer Kuh sitzen kann. Diese Folge hat zu einem der größten Streits geführt, die mein Mann und ich jemals hatten. Elton hat das Spiel gegen Simon verloren und musste als Strafe am Ende der Sendung seinen Arm bis zum Anschlag, also bis zu seiner Achselhöhle in den Arsch einer Kuh stecken.

Das hat mir persönlich sehr schlechte Gefühle gemacht und manchmal braucht man eine Weile, bis man merkt, warum. Ich war so sauer auf meinen Mann, dass der sowas zulässt, produziert, schneidet und nicht merkt, was da kolossal schiefläuft. Die Kuh wurde von hinten gefilmt, Elton ging es natürlich nur darum, wie schlimm und eklig es für ihn war. Sie zogen ihm einen Tierarztuntersuchungshandschuh an, der über den ganzen Arm geht und dann musste er seine Strafe durchziehen. Die Kuh stand mit ihrem Hinterteil zur Kamera, man konnte die knochige, weibliche Hüfte sehen, Poloch, Schamlippen, großes Gelächter, und dann verschwindet der Arm in ihr.

Für mich war das so, als würde das jemand bei mir machen, der kein Frauenarzt ist, und das nur, weil er eine Wette verloren hat, also als Strafe für ihn. Hinter mich stellen, Kamera hinter mir aufbauen, dann seinen ganzen Arm in mich reinstecken und das zur Belustigung anderer filmen. Soweit ich weiß, ist Elton kein Tierarzt, keine Ahnung, ob er überhaupt wusste, in welcher Öffnung er da grad war?

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An dem Tag habe ich meinen Feminismus für Tiere entdeckt. Ja. Hier geht es um weibliche Tiere. Wenn jemand so etwas bei einer Kuh macht, macht er das irgendwann auch bei mir? Das fürchte ich.

Wenn jemand Kühen ihre neu geborenen Kälber wegnimmt, für immer, um ihnen dann für Jahre die Milch abzuzapfen, macht er das dann auch bei mir? Davon bin ich überzeugt.

Die Kuh würde ja eigentlich nur kurze Zeit für das Kalb Milch produzieren. Wir saugen sie täglich leer, damit wir jeden Tag billig Unmengen Milch trinken können. Wir vertragen die eh nicht. Wer einmal gestillt hat, weiß wie sich das anfühlt, wenn die Brust fast platzt vor lauter Milchproduktion, man nimmt die Schmerzen, die das Abzapfen an den Nippeln verursacht, gerne für kurze Zeit in Kauf – für sein eigenes Kind! Aber würden wir auch gern unser erstes Kind weggenommen bekommen, nur damit eine andere Spezies für den Rest unseres Lebens unsere Muttermilch täglich abzapft mit riesigen Maschinen, die uns fixieren und genau auf unsere Nippel andocken und leersaugen? Äh, nein! Wenn jemand aus Milchgier deren Euter fast platzen lasst, macht er das dann auch bei mir?

Wenn jemand Hühner einsperrt in Kisten, in denen sie sich kein Stück bewegen können, nur um ihnen täglich das Ei zu klauen, klaut er dann irgendwann auch meine Eier?

Wenn jemand Säue Ferkel gebären lasst und stillen, in so kleinen Gattern, in denen sie sich nicht aufstellen und drehen können, auf Stangen, die den Füssen wehtun, macht er das dann auch bei mir?

Die männlichen Tiere, Hähnchen und Bullen, werden schnell hochgezüchtet und geschlachtet. Mit dem Tod ist auch ihr Leid beendet. Wer als Vegetarier lebt, der beendet also nur das männliche Leid. Auf die weiblichen Produkte wird nicht verzichtet: Die Industrie braucht weiter Eier, Milch und Geburten. Deswegen leben die weiblichen Tiere viel länger in Gefangenschaft, damit ihnen diese Dinge rund um die Uhr abgezapft und gestohlen werden können. Ihre Produktivität wird zum Einsperrgrund.

Wenn doch bloß die Trauer der Tiere die Eier und die Milch schwarz färben würde, oder wenigstens alles bitter und nach Vorwurf schmecken würde, dann würde ihnen dieses Elend gar nicht passieren, in diesen 6-etagigen-Folter-Fabriken. Leider vergiften uns die Tiere das nicht, wir müssen das selber machen mit Worten und Aufklärung gegen das Verdrängen, gegen das unsichtbar Machen in Hallen ohne Fenster und frischer Luft. Deswegen: Andere Wesen leiden hier. Weibliche Wesen.