Die Angst vor meinen Fans

Charlotte Roche möchte sich auf Instagram präsentieren. Dagegen sprechen die Gefahr einer Blamage und natürlich all die Penisbilder, die sie noch aus ihrer Zeit bei Viva kennt. Aber eines spricht dafür.

Geht online: Charlotte Roche

Foto: Julia Sellmann

Ich spiele schon lange mit dem Gedanken, mich bei Social Media anzumelden. Sagt man das überhaupt so: Anmelden? Wie im Einwohnermeldeamt? Nummer ziehen? Ich habe schon länger diese Fantasie: ich bei Snapchat, Insta, Twitter, die volle Packung. Na ja, sagen wir nur Instagram, wir wollen ja nicht übertreiben. Früher war Angst mein Berater. Jetzt fühle ich mich viel stärker und mutiger. Klingt wie eine Drohung, ne? Ich weiß. »Noch mutiger? Hilfe. Bitte nicht.«

All das spricht dagegen:

Ich weiß nicht, wie viel Privatleben da rein darf. Kinder? Mann? Essen? Haustiere? Haus? Auto? Freunde? Hobbys? Urlaube? Körper? Sexy Sachen? Ich würde wahrscheinlich im Eifer des Gefechts viel zu viel preisgeben – oder aus Doofheit. Aus Versehen auf einen Knopf am Handy drücken, und alle privaten Bilder gehen online, für jeden zu sehen.

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Was ist, wenn ich mit meinen Erzfeinden verglichen werde? Die haben natürlich alle mehr Follower als ich. Und dann blamiere ich mich ständig, weil ich die Codes nicht kann. Meine Tochter erklärt mir grad: Mama, du musst beim Foto-Machen den Kopf anschneiden und dann kommt ein Satz dazu. Am besten lustig. War das jetzt bei Snapchat oder Insta? Hilfe. Oh Gott. Äh, okay. Warum reicht kein Foto?

Insgesamt mag ich keinen direkten Kontakt zu Fans und noch schlimmer: Antifans. Ich habe die Kommentare zu dieser Kolumne zum Beispiel nie gelesen. Ist aber auch irgendwie feige, finde ich jetzt. Ich glaube, meine Abneigung gegenüber direktem Kontakt kommt noch aus der guten alten Viva-Zeit, da wurden mir viele Penisbilder von Zuschauern zugeschickt, und zwar von ihren eigenen, leider. Per Post damals noch. Oft noch mit 20 Mark dabei, und mit genauen Wegbeschreibungen, an welchen Baum an welcher Landstraße ich mich hinstellen sollte und auf sie warten, damit sie mit mir viele verschiedene Sachen machen könnten. Für 20 Mark? Da musst du schon mehr springen lassen, dass ich mich in einen Bus setze und auf den Weg dahin mache. Diese Zuschauerbriefe haben sich tatsächlich richtig in mein Gehirn gebrannt. Schön ist das nicht – für mein Gehirn.

Mich macht der Gedanke an direkten Kontakt und Feedback seither tatsächlich völlig verrückt im Kopf. Ich kann mich so aufregen, auch über Positives, dass ich nachts nicht einschlafen kann, mir tagelang schlecht ist. Je nachdem, was ich über mich lese, kriege ich das nie wieder aus dem Kopf raus. Das ist für mich, wahrscheinlich für jeden, total ungesund. Aber die Kommentare auszuschalten ist laut meiner Tochter keine Option. Sie sagt, dann followt mir keiner, weil das langweilig ist, wenn die Kommentarfunktion ausgeschaltet ist.

Muss ich dann auf die Kommentare auch reagieren?

Meine Tochter erklärt mir: Rihanna kriegt Hunderttausende Kommentare auf jedes Foto. Und ab und zu, nur ganz selten, und auch nur als Reaktion auf einen sehr positiven Fankommentar, klettert sie die Leiter aus dem Himmel runter und antwortet völlig willkürlich diesem einen Fan auf seinen Kommentar. Und alle rasten aus. Und meine Tochter sagt, deswegen schreiben alle immer mehr positive Sachen an Rihanna, weil sie gemerkt haben, das steigert die Wahrscheinlichkeit, eine Antwort zu erhalten. Im Gegensatz zu Sarah Kuttner: Da, so wurde mir erklärt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, eine Antwort zu erhalten, wenn man sie beleidigt.

Meine Familie ist absolut dagegen, dass ich bei Social Media mitmache. Insbesondere mein Mann, weil er einfach weiß, ich komme nicht damit zurecht. Ich krieg das nicht verpackt. Er kennt mich besser als ich mich selbst. Shit.

Ich habe zum Beispiel unglaubliche Angst vor veröffentlichten Rechtschreibfehlern, sodass ich am liebsten einen Lektor zwischenschalten würde, damit diese schlimmen Spießer, die zwar nichts zu sagen haben, aber Rechtschreibung können, nicht Scheiße über mich schütten können.

Ich stelle mir vor: Ich sehe was im TV, rege mich sehr darüber auf, was sehr oft passiert, und schreibe mich wütend um Kopf und Kragen, wie Til Schweiger. Das kann mir sehr einfach passieren. Täglich mehrmals, sehr wahrscheinlich sogar.

Oder ich poste ein Foto von mir und im Hintergrund ist eine Mini-Kleinigkeit, die mir nicht aufgefallen ist, aber die sieht dann einer und macht eine Riesennummer daraus. So was wie: Ich vorm Weihnachtsbaum, Selfie, und man sieht in der Reflexion einer Weihnachtskugel miniklein meinen Mann nackt durchs Bild gehen mit einer Riesen-Erektion.

Oder ich poste ein Bild vom Hundetraining mit meinem Hund und bekomme voll den Shitstorm, weil ich vergessen habe, die Schleppleine an sein Brustgeschirr zu klicken, sie ist noch an seinem Halsband, und wenn man das weiterdenkt und weiß, dass die Schleppleine für den Notfall ist und zum Drauftreten gedacht, würde jeder auf dem Foto sehen, dass ich zu blöd bin, einen Hund zu halten, weil ich ihm im Ernstfall aus Versehen sein Genick brechen würde, wenn er losrennt und ich auf die Leine trete. Und dann kommt das Hundeamt und nimmt mir den Hund weg. Oder das Jugendamt kommt und nimmt mir die Kinder weg, wegen irgendwas, was ich Komisches aus Versehen über sie gepostet hab.

Ich habe auch meinen Stiefsohn um Rat gefragt, was Insta angeht. Er ist 15 und sagte nur: »Kannst du gerne machen, du musst nur wissen: Wenn du ein Foto postest, wo du beim Angeln einen Fisch gefangen hast, werden alle dir schreiben: ›Du Scheiß-Fischmörder! Fickst du etwa auch Fische??‹ Du wirst einfach untergehen in Hass und Scheiße.« Ähm, okay. Oh Gott.

Was spricht eigentlich dafür, das alles zu machen? Sich das anzutun? Wofür? Na, Ego, natürlich. Okay, ich mach’s.