Dem Fortschritt sei Dank, ist Einkaufen heute sehr bequem. Man schnappt sich einen Computer, bettet sich aufs Sofa, surft im Internet, klickt hier, wartet in Seelenruhe auf den Seitenaufbau, klickt dort, füllt Formulare einmal aus und dann gemächlich noch einmal (falls man was falsch gemacht hat), lässt sich Geld von der Kreditkarte abbuchen, worauf schon Tage später ein Bote beim Nachbarn ein Paket abgibt, das man, sobald der Nachbar von einem Kurzurlaub zurück ist und man selbst auch eine Dienstreise beendet hat, bereits wiederum mehrere Tage später abholen kann. Meistens stellt man dann fest, dass einem das Übersandte nicht gefällt, das macht aber nichts. Man verpackt einfach alles wieder, geht zur Post, reiht sich in eine Schlange froh gestimmter Menschen ein und schickt es zurück, ein Vorgang, der in absehbarer Zeit durch Rücküberweisung gezahlten Geldes belohnt wird, jedenfalls meistens.
Das mag dem Laien langwierig erscheinen, aber so ist der Fortschritt bisweilen, er hat anfangs Nachteile, doch wird das in der Regel rasch ausgebügelt. In der Zeitung stand nun, dass etliche Online-Händler deshalb »reale Läden« eröffneten. Was ist ein realer Laden? Meine lieben jungen Freunde, das ist ein Geschäft, das sich oft ganz in Eurer Nähe befindet. Man betritt es durch eine Tür, betrachtet die Waren, schlüpft in ein Kleid, schlüpft wieder hinaus, entdeckt etwas, was man nie gesehen hat, lässt sich von einem Verkäufer beraten, kauft oder kauft nicht – und nimmt Gekauftes sogleich mit heim. Früher soll es, wie ältere Mitbürger versichern, mehr solcher Niederlassungen gegeben haben. Sie sind dann verschwunden. Warum? Tja.
Der Müsliversender Mymuesli, heißt es, werde bald 25 solcher Filialen eröffnet haben, auch ein Internet-Trachtenhändler namens Almliebe habe einen Laden eingeweiht, andere würden folgen. Amazon plane ein Kaufhaus in Manhattan, was unschätzbare Vorteile habe: Man lerne Kunden besser kennen, diese könnten die Ware sehen und anfassen, und die Firma sei präsent im Stadtbild.
Natürlich muss man begeistert sein über diese Innovationen der Internet-Händler. Ich war immer ein Anhänger des Fortschritts, weil er dieses ganz Frische, das gestern noch Ungedachte möglich macht. Beispielsweise habe ich gehört, die Firma Facebook arbeite an der Entwicklung kleiner Lokale, in denen man Freunde treffen kann. Man hat in langer Forschungsarbeit herausgefunden, dass viele Menschen ihre Freunde nicht mehr kennen, ja, sie wissen nicht einmal, dass diese ebenfalls aus Fleisch und Blut bestehen! Viele Facebook-Nutzer sagten, sie hätten gar nicht geahnt, dass diese Leute Menschen seien, sie hätten gedacht, es gebe sie »halt so«.
Diese neue Erfahrung des Kennenlernens aber wird in der Facebook-Kneipe, die sich Chef Zuckerberg persönlich ausgedacht hat, möglich sein. Man könne sich dort, teilte er mit, gegenseitig zum Beispiel Katzenbilder zeigen und, wenn man diese Bilder mag, dem Freund einen Zettel geben, auf dem »Gefällt mir« steht. Diese Zettel könne man in speziellen Facebook-Boxen sammeln, sie ab und zu zählen und die Zahlen vergleichen, ein Höllenspaß, wie man hört, zumal dazu kühle Getränke serviert werden.
Gerüchten zufolge soll es in einigen Städten mittlerweile kleine Buchläden geben, in denen man in Büchern stöbern und diese sofort erwerben kann, ja, es heißt, Amazon-Chef Bezos habe diesen Einfall in einer Art Trancezustand nach drei durchgearbeiteten Nächten gehabt. Auch sollen einige Internet-Nachrichtenseiten an einem Pilotprojekt arbeiten, bei dem Informationen, Reportagen, Kommentare, ja, alles, was das Hirn begehrt, auf sogenanntem »Papier« lesbar sind, also tatsächlich ohne jede Art von Computer. Ohne Akku! Ich hatte so etwas selbst zufällig gerade in der Hand, faszinierend, sage ich.
Wo sie nur immer die Ideen herhaben, diese Online-Leute?!
Illustration: Dirk Schmidt