Natürlich kann man den Stephansdom empfehlen, die Hofburg, Schloss Schönbrunn. Aber von diesen Wien-Tipps gibt es tonnenweise Papier. Meine Empfehlung für ein perfektes Wochenende ist der 2. Bezirk, auch Leopoldstadt genannt. Hier ist Wien sehr privat. Die meisten der zirka 115000 Juden in Wien lebten rund um die Taborstraße und den Karmelitermarkt, bevor die Nazis kamen. Inzwischen wohnen wieder etwa 6000 dort und die orthodoxen unter ihnen verschönern das Straßenbild – große Hüte, lange Bärte, Schläfenlocken, wohin das Auge blickt. »Klein-Jerusalem« wird kräftig aufgemischt von den Völkerscharen aus Ex-Jugo-slawien, natürlich auch von Türken, Afrikanern und Wienern alten Schlags. Herr Sommer zum Beispiel betreibt das Café SPERLHOF, und zuerst denkt man, es seien tragende Säulen, die in seinem Café stehen, aber dann sieht man, dass es bis zur Decke aufgetürmte Brettspiele sind, von Monopoly bis Bakschisch, 850 Spiele insgesamt. Einmal war mir, als hätte ich dort auch Leonard Cohen spielen sehen. Aber ich konnte es nicht glauben und recherchierte. Tatsächlich hat der Sänger in der Leopoldstadt eine Wohnung gekauft. Auch Omar Sharif war oft hier, weil sein Lieblings-Nachtclub auf europäischem Boden, Cabaret Renz, auch im 2. Bezirk lag. Leider hat es zugemacht. Heute gehen Leute wie Omar in die Bar des HOTELS ORIENT. Das Orient ist wahrscheinlich das schönste Stundenhotel der Welt, verplüschter Jugendstil. Manchmal werden dort die »Stundenzimmer« ganz normal für ein Wochenende und länger vermietet. Für den kleinen Hunger findet man in Wien überall diese WURSTBUDEN, die bis vier Uhr nachts geöffnet haben. Da heißt eine Dose Bier »16er Blech«, weil das Ottakringer Bier im 16. Bezirk hergestellt wird. Wenn man ein 16er Blech bestellt, glauben alle, man kennt sich aus. Wer keine Wurst mag, geht ins Restaurant WILD im 3. Bezirk. Die Küche gehört zu den zehn besten der Stadt. Ansonsten würde ich in Wien so viel wie möglich spazieren gehen. Das Straßenbild ist entweder die heile K.k.-Welt oder die heile Welt der 50er-Jahre, beides große Epochen, und die letzte ist noch so nah, dass man seine Kindheit darin wiederfinden kann. Das hat Woody Allen über Wien gesagt.
CafÉ Sperlhof, Große Sperlgasse 41, 1020 Wien, Tel. 0043/1/2145864, Mo–Fr: 12–1 Uhr, Sa, So- und Feiertage: 10–1 Uhr. Hotel Orient, Tiefer Graben 30, 1010 Wien, Tel. 0043/ 1/5337307, DZ 57 bis 85 Euro für ca. 3 Stunden, Bar nur für Hotelgäste. Gasthaus Wild, Radetzkyplatz 1, 1030 Wien, tägl. 10–1 Uhr, Tel./Fax: 0043/1/920 94 77 oder wild@cello.at