Von durchschnittlichen Englischkenntnissen darf man sich hier nicht verwirren lassen: »Pimp« heißt Zuhälter, schon klar, aber darum geht es überhaupt nicht. Oder doch nur ganz am Anfang. Am Anfang steht der Zuhälter in den schwarzen Ghettos der USA, ein prototypisches kapitalistisches Luxuswesen, Vorbild aller Hip-Hop-Stars. Reichtümer genügen nur dann seinen Ansprüchen, wenn sie maßgefertigt sind. Er steht im Ruf, seine ganze Erscheinung ins Maßlose zu übersteigern, zum Beispiel mit Hilfe absurd aufgemotzter Luxusautos – weswegen der Sender MTV im März 2004 auf die Idee kam, eine Sendung Pimp My Ride zu nennen. Darin werden alte Schrottkarren von der Straße geholt, in einer Spezialwerkstatt auf skurrile Weise umgebaut und dann an ihre Besitzer zurückgegeben, die in diesem Moment vollkommen ausrasten. Die Sendung ist grotesk erfolgreich und seitdem steht der Imperativ »Pimp!« so etwa für »Verbesser mich! Verschöner mich! Bau mich um!«Besonders wirksam ist dieser Imperativ interessanterweise in Deutschland. MTV schuf gleich selbst einen Ableger, mehr an die hiesige Wirtschaftslage angepasst, und nannte ihn Pimp My Fahrrad. Das klang fast noch besser und plötzlich gab es kein Halten mehr: Die deutsche Zentrale von Burger King erfand eine »Pimp My Burger«-Kampagne, Abwandlungen mit »My Body«, »My Dog«, »My Boyfriend« tauchten in Überschriften auf, die Zeitschrift Max legte ein »Pimp My Life«-Themenheft vor – aber der Trend geht längst viel tiefer. Mindestens ein halbes Dutzend deutsche Vorabend-Sendungen, von Einsatz in 4 Wänden (RTL) bis hin zu Auf Dübel komm raus (KabelEins), haben das Modell übernommen und auf neue Gebiete angewandt: Man findet etwas Hässliches in der Wohnung oder im Garten, die Besitzer übergeben es an ein Team von Spezialisten, das sich an die Verschönerung macht – und anschließend wird, mit großem emotionalen Tremolo, enthüllt, präsentiert, zurückgegeben, geweint.Innerhalb kürzester Zeit ist der Imperativ »Pimp!« ein kategorischer geworden: Dieses Land ist verbesserungsfähig, verschönerungsbedürftig, zum Umbau bereit – und überkommene Regeln, wie etwa die Straßenverkehrsordnung oder das Grundgesetz, sollten dabei nicht länger im Weg stehen. »Pimp My Election!«, riefen Schröder und Müntefering nach der desaströsen Nordrhein-Westfalen-Wahl, die Kampagne »Pimp My Arbeitsamt« läuft schon länger und gerade beginnt die konzertierte Aktion »Pimp Our Kanzlerin«, die Angela Merkel international repräsentabel machen soll. Der Ruch von Exzess und Verschwendung, der dem Begriff »Pimp« ursprünglich noch anhaftete, ist von den Deutschen in sein Gegenteil verkehrt worden. Der zentrale kapitalistische Konsumimpuls, alte Dinge einfach wegzuschmeißen, um neue, bessere und schönere zu kaufen, wird ausgehebelt. Seit Neuestem arbeiten wir mit dem, was wir sowieso schon haben – und es wäre doch gelacht, wenn da nicht noch Spielraum für echte Verbesserung drin wäre.So zeigt die »Pimp!«-Bewegung am Ende ein überraschend humanes, progressives und realistisches Gesicht. Sie ersetzt den verhängnisvollen Geist der Ex-und-Hopp-Gesellschaft durch eine neue, auch umweltschonende Würdigung von Nachhaltigkeit und Recycling. Sie verwandelt die seelenlosen Dinge der modernen Massenproduktion in personalisierte, liebevoll umgebaute, handverschönerte Statements ihrer Besitzer. Wer sich das Neue nicht mehr leisten kann, kann immer noch das Alte neu lackieren – Bastelanleitung liegt bei. Und wer auf Wunder, kompetente Politiker, klare Steuergesetze und echte Veränderungen nicht mehr warten will, greift am besten noch heute zum Farbtopf. Schon ein paar feine Pinselstriche, so zeigt es die »Wohnexpertin Tine Wittler« bei RTL, lassen eine Spanplatte im Bad wie eine Marmorplatte aussehen – und davon können wir alle noch lernen. Das Prinzip »Pimp!« handelt von der Einsicht in die Verhältnisse, wie sie wirklich sind.