»Würden Sie mir noch einen Gefallen tun?«, fragte Günther Jauch letzte Woche, als ich die 500 000 Euro gewonnen hatte. »Würden Sie Ihre Kündigung bei der Süddeutschen Zeitung hier und jetzt übers Fernsehen einreichen?« Sie spinnen wohl, Herr Jauch, dachte ich, also sagte ich: »Sie spinnen wohl, Herr Jauch. Stattdessen kaufe ich den Laden«, und wahrscheinlich wollte er genau das hören. Trotzdem scheint die Frage damit noch nicht beantwortet zu sein, denn in den Tagen danach las ich in den Hunderten von Mail-, SMS- und Facebook-Glückwünschen Wildfremder und in den Augen der Freunde nur eine Frage: Wann hörst du auf zu arbeiten? Was machst du überhaupt noch hier? Deshalb also zum ersten Mal ein Das verstehe ich nicht in eigener Sache.
Ich verstehe es wirklich nicht: Warum ist es gesellschaftlicher Konsens, dass man arbeitet, weil man muss, und nicht, weil man will? Wieso sind sich alle einig, dass es nur um Geld geht – ein Interesse, das ich durchaus teile; ich habe schon hartgesottene Arbeitgeber in die Katatonie verhandelt – und nicht auch um Freude? Das Konzept von Arbeit scheint zwei Jahrhunderte nach der industriellen Revolution immer noch eines von elender Knechterei zu sein, unter Stöhnen erlitten, um dafür drei Wochen bei 28 Grad auf dem Rücken liegen zu dürfen. Ich kapier’s nicht: Warum sollte man jeden Tag acht, eher zehn Stunden für etwas opfern, was man nur widerwillig tut?
Vielleicht ist das die wahre Millionenfrage, nennen wir sie den Günther-Jauch-Test: Wer auf die Frage, ob er beim Gewinn von viel Geld kündigen würde, »sofort« sagt, sollte vielleicht auch ohne die Million gehen. Denn er ist am falschen Ort und hat fast schon die Pflicht, sich etwas zu suchen, was ihn glücklich macht – man hat nur ein Leben. Aber gehen, wenn man glücklich ist? Aufgeben, was man liebt? Um sich am Rand eines Swimmingpools zu langweilen?
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe auch schon gekündigt, immer dann nämlich, wenn keine Liebe für das da war, was ich tat. Und wenn ich jetzt sage: Ich würde auch dann noch arbeiten, wenn ich nicht müsste, dann meine ich nicht, dass Arbeit nicht gut bezahlt werden sollte. Im Gegenteil: Diejenigen sollten Geld verdienen, sogar wahnsinnig viel Geld, die für das, was sie tun, brennen: die Krankenschwester, die lieber einmal zu viel nach dem Rechten schaut, der Lehrer, der nachmittags einen Workshop nachschiebt. Denn wer liebt, was er tut, macht es auch gut. Leistungsprinzip? Nein, Leidenschaftsprinzip. Was für ein Geschenk, so einen Beruf zu haben. Und das dem Leben vor die Füße werfen? Ganz ehrlich: Sie spinnen wohl.
Foto: RTL/ Stefan Gregorowius