Nirgends in der westlichen Welt sieht Essen so eklig aus wie auf den Plakaten von Imbissbuden. Man könnte einwenden: Oh doch, in den Imbissbuden selbst, aber das stimmt nicht. So brutal wie auf den Plakaten im Schaufenster oder über dem Tresen kann ein halbes Hähnchen mit Kartoffelsalat in Wirklichkeit gar nicht aussehen. Das Hähnchen auf dem Bild gleicht in der Regel einem frittierten Kniegelenk, der Kartoffelsalat je nach Laune des Plakatfotografen (oder des unendlich durchgeknallten Food-Stylisten) einer Portion Hirn mit Petersilie oder der Nahaufnahme einer äußerst schmerzhaften Geschlechtskrankheit. Und erst die Bilder von Dönern, auf denen das Fleisch unter der Soße . . . ehrlich gesagt würde eine Beschreibung von Dönerbildern an dieser Stelle die Grenzen des guten Geschmacks zu weit überschreiten.
Es gibt keinen ersichtlichen Grund dafür, Essen so zu fotografieren, dass es wie eine Schusswunde aussieht. Sicher sollen die Abbildungen Kunden in den Laden locken oder ihnen einen ungefähren Eindruck davon geben, was sie später auf dem Teller oder in der Tüte erwartet. Absurderweise sieht jedoch das echte Essen in Imbissen selbst im lieblosesten Arrangement immer noch deutlich besser aus als das Gemetzel auf den Bildern.
Es wäre nun immerhin möglich, dass die stolzen Imbissbesitzer etwas ganz anderes in den Panoramen der Geschmacklosigkeit erkennen, so wie Eltern ihr Baby auch dann schön finden, wenn alle anderen es als hässlich empfinden. Liebe geht nicht nur durch den Magen, sie macht vor allen Dingen blind. Gegen die These von der blinden Liebe spricht jedoch, dass Imbissbesitzer zu ihrem Essen ganz offensichtlich ein professionelles, aber nicht unbedingt liebevolles Verhältnis pflegen; das weiß jeder, der trotz der Fotos schon mal einen Imbiss betreten und die Zubereitung seiner Speise aufmerksam verfolgt hat.
Zudem sind die Imbissbesitzer nicht blöd, sie sehen ja, wie es die Konkurrenz macht. Wenn sie wirklich gute Bilder haben wollten, müssten sie nur kurz bei einem der McDonald’s-Fotografen anklingeln. Die machen es genau andersherum als die Imbissknipser: Ein fotografierter Big Mac verhält sich in puncto Schönheit und Appetitlichkeit zu einem realen wie Kate Moss zur Gletschermumie Ötzi. Die Imbissbesitzer wissen, was sie da verkaufen, und sie wissen, wie es aussieht. Wäre es also möglich, dass die Imbissindustrie bewusst nicht bei den McDonald’s-Fotografen anruft, weil sie nicht will, dass ihr Essen etwas verspricht, was es nicht halten kann? Sollte das tatsächlich der Plan sein, ginge er auf genialische Weise auf.
Foto: Tatjana Kunath