Warum diese Liebe zur Schweizer Armee?

Selbst überzeugte Pazifisten benutzen gern Militär-Equipment – solange die Armee als harmlos gilt.

Zivilisten in Flecktarnhosen sind Proleten: So was tragen normalerweise Menschen, die nicht entdeckt werden wollen, während sie schlimmstenfalls versuchen, andere Menschen zu töten. Wer das freiwillig anzieht, ist mehr als suspekt. Seltsamerweise sieht man aber in letzter Zeit andere Militärdevotionalien immer öfter: solche der Schweizer Armee. Vielleicht fällt es mir speziell auf, weil ich Schweizerin bin. Aber da sind zum Beispiel diese Militärwolldecken aus dem dicken beige-grauen Stoff mit dem roten Stoffstreifen und dem Schweizerkreuz. Sie lagen im Winter auf den Stühlen vor hippen Cafés, um die Raucher zu wärmen. Jetzt wird auf ihnen gepicknickt im Park.

Seltsam, dass wir die so ganz unkritisch cool finden. Ist es, weil sie so hübsch retro aussehen? Das könnte auch der Grund sein, warum so viele Hipster stolz auf einem schwarzen, schweren Schweizer Armeefahrrad durch die Stadt radeln. Oder geht es da um Qualität? So wie beim Schweizer Taschenmesser, auch Offiziersmesser genannt: Es ist halt einfach eine richtig gute Erfindung. Und die tragbaren Wasserkanister, die es im Outdoorversandhandel gibt, beworben als »unzerstörbar«? Dass all dies ursprünglich für Soldaten entwickelt wurde, ist selbst Pazifisten egal, weil es sich ja um Stücke der Schweizer Armee handelt. Denn die gilt schließlich als harmlos. Mit ihr verbindet man keine zivilen »Kollateralschäden«, keine blutgeilen Generäle, kein Guantanamo. Unsere Soldaten sind für die Friedensförderung unterwegs, nur zum Selbstschutz bewaffnet, und nie in kriegerische Handlungen involviert. Seit 1953 starben genau acht Soldaten während Auslandseinsätzen – bei Verkehrsunfällen, Sportunfällen, einer beging Selbstmord (aus privaten Gründen, heißt es).

Die Schweizer Armee leistet Katastrophenhilfe oder bewacht Konsulate. Die Schweizer Armee ist nett. Sie ist zwar eine Streitmacht, top ausgerüstet, um das Land im Ernstfall zu verteidigen, aber das kann man leicht vergessen. Beziehungsweise: Ihr Deutschen vergesst das leicht – denn in der Schweiz ist die Armee natürlich mehr als nur ein Produzent kuscheliger Decken. Wenn sich also der junge, urbane Schweizer beim Sternschnuppenschauen im Park mit der Armeedecke die Füße wärmt, heißt das noch lange nicht, dass er die Armee toll findet (er hat sich vermutlich sowieso vorm Wehrdienst gedrückt). Und vor ein paar Monaten wahrscheinlich für die Initiative gestimmt, die verlangte, dass die Armeewaffen nun endlich nicht mehr in den Privathaushalten aufbewahrt werden sollen. Die Initiative wurde trotzdem abgelehnt – unsere Waffen dürfen wir Schweizer also auch in Zukunft daheim lagern. Wolldecken, Fahrräder, Taschenmesser und dergleichen Werkzeuge der Armee mögen ja irgendwie sympathisch sein, aber all ihre Maschinengewehre, die bei uns zu Hause rumstehen? Da hörts dann irgendwie auf mit der Niedlichkeit.

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Foto: Manufactum