Wie das Virus die Bahn schwächt

Wenn Bahnunternehmen Verbindungen streichen, ist das lästig, aber derzeit doch nachvollziehbar. Aber warum bloß sind auch viele Züge kürzer als früher? Wie soll man dort noch den Mindestabstand einhalten?

Illustration: Nishant Choksi

Auch beim Bahnfahren wird durch die Corona-Krise klar, wie schön einfach unser Leben war, bevor das Virus nach Deutschland kam. Zum Beispiel konnte man online bei der Reiseauskunft der Bahn oder in der Navigator-App Verbindungen von jeder Bushaltestelle zu jeder Straßenbahnhaltestelle der Republik finden. Jetzt aber, wo ein Notfahrplan den nächsten jagt, ist diese Fahrplanauskunft nicht mehr zuverlässig.

Ein Leser schrieb mir zum Beispiel, dass er von Frankfurt nach Mainz-Kastel (Bushaltstelle Römerstraße) fahren muss, weil er dort arbeitet. Die DB-Fahrplanauskunft zeigte ihm zwischen 14:09 und 17:50 keine einzige Verbindung für diese Strecke an. Dabei gibt es halbstündig eine S-Bahn mit Busanschluss! Der Leser fand dies heraus, als er zusätzlich zur DB-Auskunft die Webseite der Mainzer Verkehrsbetriebe überprüfte. »Aber es kann doch einfach nicht sein«, schrieb er, »dass ich mich bei jedem Verkehrsunternehmen, welches ich benutzen will, separat informieren muss.« Insbesondere, wenn man weiß, dass zwischen Frankfurt und Mainz/Wiesbaden fünf verschiedene Eisenbahnunternehmen unterwegs sind und am Ziel zwei lokale Busbetreiber. Im Extremfall müsste man also Webseiten von sieben Mobilitätsanbietern checken.

Die Deutsche Bahn schreibt dazu: »Es tut uns leid, wenn unsere Auskunftsmedien nicht umfassend über die aktuellen Reiseverbindungen informieren. Diese Medien können immer nur so aktuell sein, wie die uns zugearbeiteten Daten. Im vorliegenden Fall heißt das, der DB liegen nicht die aktuellen Daten des regionalen Busbetreibers vor.« Das bedeutet also im Moment: Wenn einem als Fahrgast Verbindungsanzeigen seltsam vorkommen, kann es sich lohnen, bei den einzelnen Anbietern nachzuschauen.

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Passagiere aus systemrelevanten Berufen klagen mittlerweile über den zusammengestrichenen Fahrplan

Aber nicht nur die Planung, sondern auch die Fahrten selbst sind schwieriger in der Corona-Krise. Passagiere aus systemrelevanten Berufen klagen mittlerweile über den zusammengestrichenen Fahrplan. Ein Leser, der von Hilden nach Düsseldorf pendelt, schrieb mir: »Anstatt im 10-Minuten-Takt fährt die S-Bahn in den Stoßzeiten am Morgen und Nachmittag nur noch einmal in der Stunde. In Zeiten von Corona werden Menschen, die sich sonst auf mehrere Bahnen verteilten, in eine Bahn verfrachtet. Zwei Meter Abstand zu halten, ist nicht mehr möglich – so werden sich viele Pendler infizieren.« Auch aus München und der Oberpfalz gibt es ähnliche Berichte.

Nicht nur ganze Verbindungen werden gestrichen. Zusätzlich verkehren viele Züge, die noch fahren, mit weniger Triebwagen als normal. Zum Beispiel bei der Münchner S-Bahn. Insbesondere in diesem Fall frage ich mich, warum das sein muss. Es ist nachvollziehbar, dass die Bahn derzeit mit weniger Personal auskommen will, etwa um Mitarbeiter vor Infektionen zu schützen und so den Betrieb langfristig aufrecht erhalten zu können. Aber in einer S-Bahn gibt es für einen zusätzlichen Zugteil gar kein zusätzliches Personal, das hat mir eine DB-Sprecherin bestätigt. Klar, Züge müssen auch angekoppelt, gewartet und gereinigt werden. Aber das dürfte doch vernachlässigbar sein, wenn der Zug danach den gesamten Tag hin und her fährt.

»Die Deutsche Bahn ist im ständigen Austausch mit den Behörden, unseren Aufgabenträgern und Bestellern des Nahverkehrs in den Bundesländern und beobachtet das Fahrgastaufkommen und die Kapazitäten regelmäßig«, schreibt die Sprecherin. »Bei Bedarf können zusätzliche Kapazitäten nachgesteuert werden, dies ist insbesondere im Regionalverkehr in Ballungsgebieten für Pendlerverbindungen wichtig.« Wenn Menschen den Sicherheitsabstand nicht einhalten können, besteht dieser Bedarf – also bitte Züge mit mehr Triebwagen fahren lassen!