Mit dem Zug unterwegs zu sein ist nicht immer schön. Verspätungen, verpasste Anschlüsse und Zugausfälle gehören im deutschen Bahnverkehr leider zum Alltag. Doch bis vor kurzem gab es in der DB-App »Navigator« zumindest einen Notknopf, der dabei half, die unangenehmen Folgen solcher Ereignisse etwas abzumildern. Bislang war es im »Navigator« nämlich möglich, Reservierungen kostenfrei umzubuchen. Wenn der Zug ausfiel, konnte man seine damit ebenfalls verfallene Reservierung leicht auf einen anderen Zug umbuchen. Leider hat die Bahn diese Funktion nun still und leise abgeschafft.
Was sich unspektakulär anhört, kann schnell ziemlich wichtig werden. Ein aktuelles Beispiel: Ich bin an einem Freitagnachmittag mit meiner Familie – zwei Erwachsene und eine Zweieinhalbjährige – samt Kinderwagen und viel Gepäck unterwegs zum Bahnhof. Wir haben einen ICE von Frankfurt nach Köln gebucht. Nach momentanem Stand fallen bei uns 50 Prozent der gebuchten Züge aus – so auch diesmal. Damit ist unser langfristig gebuchtes Kleinkindabteil futsch, ja, weil es Freitagnachmittag ist, können wir uns darauf einstellen, mit Kind und unserem unhandlichen Gepäck auf einem überfüllten Gang zu stehen. Denn es ist Hauptreisezeit, und wenn ein Zug komplett ausfällt, werden die verbliebenen dadurch nicht leerer.
Nochmal zum Bahnhof fahren, fünf Euro für ein ÖV-Ticket ausgeben, um acht Euro im Fahrgast-Center erstattet zu bekommen. Ganz ehrlich – wer tut sich das an?
Hektisch überprüfen wir mithilfe der »Navigator» App, welchen Zug nehmen wir nun ersatzweise nehmen können. Gibt es vielleicht einen, der erst in Frankfurt abfährt und deshalb weniger voll sein könnte? In dieser Situation war es quasi eine Erlösung, wenn man, sobald man einen Alternativzug gefunden hatte, in der App einfach den Button »Reservierung umbuchen« drücken konnte. So konnte man überprüfen, ob es in diesem Zug noch Sitzplätze gab, und dann die Entscheidung treffen, umzubuchen oder weiterzusuchen. Mit etwas Glück war ein Zugausfall nach kurzem Adrenalinkick schnell wieder erledigt.
Aber jetzt, Überraschung: Der Button ist nicht mehr da! Uns bleibt nichts anderes übrig, als für die alternative Verbindung kostenpflichtig neu zu reservieren. Eine per Email gestellte Frage an den Fahrgastservice, ob und wie wir denn das Geld für die Reservierung im ausgefallen Zug zurückbekommen könnten, beantworteten die Mitarbeiter nicht. Laut Pressestelle ist »eine elektronische beantragte Erstattung leider noch nicht möglich«. Heißt: nochmal zum Bahnhof fahren, fünf Euro für ein ÖV-Ticket ausgeben, um acht Euro im Fahrgast-Center erstattet zu bekommen. Ganz ehrlich – wer tut sich das an?
Jedenfalls glaube ich sofort, was eine Bahnsprecherin mir zu diesem Vorgang mitteilt: Die Umbuchungsfunktion sei aus »betriebswirtschaftliche Gründen« abgeschafft worden. Gemeint ist allerdings nicht, dass viele Leute wegen des vergleichsweise komplizierten Vorgangs nun darauf verzichten dürften, sich das Geld erstatten zu lassen; die Sprecherin versteht darunter die Kosten für Pflege und Betrieb der entsprechenden IT. Ich meine: Diese Kosten müssten drin sein, schließlich geht es darum, die Auswirkungen des von der Bahn selbst verschuldeten Chaos' zu lindern.
Dieser Aspekt der Umbuchungsfunktion ist den Menschen in der Unternehmensführung anscheinend noch nicht aufgefallen: »Die Möglichkeit, eine Sitzplatzreservierung einmalig kostenfrei umzubuchen, stand nie im Zusammenhang mit Zugausfällen«, schreibt die Sprecherin. »Im Fernverkehr sind die meisten Kund:innen mit zuggebundenen Angeboten (mit Spar- und Super Sparpreisen) unterwegs. Für diese Kund:innen ist die Möglichkeit einer Umbuchung ihrer Sitzplatzreservierung nicht relevant. Gleiches gilt für Reisende mit Flexpreis-Tickets, denn sie entscheiden sich meist erst kurzfristig für einen Zug und eine Sitzplatzreservierung.«
Weiter an den Bedürfnissen der Passagiere vorbei, kann man kaum argumentieren. Mit meiner Familie buche ich natürlich, wenn möglich, Sparpreise, dennoch war die Umbichungsfunktion – siehe oben – äußerst relevant für uns. Auch habe ich, wie sicherlich viele andere, schon mal mit Flexpreis reserviert, war dann aber etwa früher oder später am Bahnhof als geplant – und dann war es sehr praktisch, die Reservierung problemlos ändern zu können. Die Bahn kommuniziert außerdem, die Umbuchungsfunktion sei eingestellt worden, weil sie zu selten genutzt worden sei. »Wie sollen die Passagiere etwas nutzen, von dem sie nicht wissen, dass es existiert?«, entgegnet Karl-Peter Naumann vom Fahrgast-Verband »Pro-Bahn«. »Die DB hat versäumt, die Umbuchungsfunktion bekannt zu machen – sie jetzt abzuschaffen ist unglücklich und verkompliziert den Erstattungsprozess unnötig.«
Seit Jahren arbeitet die Bahn an der Nachfolge-App für den »Navigator«, einem Projekt namens »Vendo«, das alle digitalen Probleme der DB auf einmal lösen soll. Ich hoffe sehr, dass es spätestens mit dessen Einführung wieder möglich sein wird, Reservierungen umzubuchen. Dieser Wunsch erscheint mir realistischer, als dass die Zugausfälle und Verspätungen ein Ende haben.