Ein familiärer Noteinsatz, ich will zum ersten Mal seit fünf Monaten wieder mit dem Zug fahren. Wie viele Deutsche habe ich zuletzt auf Bahnreisen verzichtet, 2020 hat sich die Zahl der Passagiere der Deutschen Bahn im Fernverkehr durch die Corona-Krise nahezu halbiert, im Moment sind die Züge nur zu 20 Prozent ausgelastet, wie Bahnchef Richard Lutz kürzlich im Interview mit der SZ gesagt hat.
Doch mein Comeback wird mir nicht leicht gemacht. Denn es hat sich einiges und doch wenig geändert seit meiner letzten Fahrt. Wie gewohnt will ich mein Ticket mit dem Mobiltelefon buchen, während ich in der U-Bahn zum Bahnhof unterwegs bin. Ich benutze seit vielen Jahren die Bahn-Kreditkarte – eigentlich praktisch, denn so verfallen die Bahn-Bonus-Punkte nicht. Aber jetzt, weniger praktisch, ist anscheinend ein neues Sicherungsverfahren eingeführt worden. Die wollen mich fertig machen, denke ich, als ich mich auf dem Handy durch den Vorgang klicke, ich muss doch den Zug erwischen. Am Ende heißt es: Sie bekommen Post von uns mit dem Aktivierungscode. Also wirklich, einen Brief aus Papier! Das wird wohl nichts, heute mit der Kreditkarte meine Fahrkarte zu bezahlen.
Inzwischen bin ich am Bahnhof. Ich könnte die Zahlungsoption wechseln, fällt mir ein, zu Paypal. Also alles nochmal von vorne. Wieder quäle ich mich durch den Buchungsvorgang (warum muss ich jedesmal neu einstellen, dass ich eine Bahncard 50 habe, obwohl ich eingeloggt bin?). Dann endlich, die Weiterleitung zu Paypal klappt, noch einmal klicken ... »Fehler – die angeforderte Seite ist nicht mehr gültig.« Gibt es doch nicht, ich benutze Paypal ständig. Nächster Versuch, nochmal die gleiche Fehlermeldung.
Die Bahn teilt dazu mit, dass meine Probleme mit der Kreditkarte auf neue EU-Vorgaben zurückzuführen seien, nach denen künftig bei Kreditkartenkäufen eine Zwei-Faktor-Authentifizierung nötig ist. Diese Vorgabe muss bis spätestens 15. März umgesetzt werden, die Bahn war hier also einmal eher früh dran, was in diesem Fall einfach Pech für mich war. Zu Paypal schreibt die Bahn: »Das von Ihnen geschilderte Problem bei Zahlung mit Paypal im DB Navigator ist uns bekannt, der Fehler tritt allerdings nur sehr vereinzelt auf. Wir arbeiten bereits an der Fehler-Analyse und Behebung.«
In letzter Sekunde wird die umgekehrte Wagenreihung durchgesagt, also schnell zum anderen Ende des Bahnsteigs rennen, das ist mit Maske noch anstrengender als früher
Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Also auf zum Fahrkartenautomaten, wo ich nicht mal anstehen muss. Kein Wunder, wer drückt in Pandemie-Zeiten schon gerne auf einem Touchscreen herum? Der Automat funktioniert, bloß das Einlesen der Bahncard zum Punktesammeln klappt nicht, was ja der einzige Sinn wäre, den die Karte noch haben könnte, wenn ich schon nicht mit ihr bezahlen kann. Nachdem ich meine Hände desinfiziert habe, stehe ich verschwitzt am Bahnsteig - wo wieder alles beim Alten ist. In letzter Sekunde wird die umgekehrte Wagenreihung durchgesagt, also schnell zum anderen Ende des Bahnsteigs rennen, das ist mit Maske noch anstrengender als früher.
Im Wagen ist dann erfreulicherweise niemand ohne Mundnasenbedeckung zu sehen; viele tragen wie ich die sichereren FFP2- oder FFP3-Modelle (ohne Ventil). Kurz nachdem ich eingestiegen bin, nähert sich mir allerdings ein Dame mit einfacher Hygienemaske und Brille. »Fahrtgastbefragung der deutschen Bahn – darf ich mal Ihre Fahrkarte sehen?«, fragt sie. Am ausgestreckten Arm halte ich ihr mein Ticket hin, der Abstand zwischen uns beträgt trotzdem weniger als einen Meter. »Warum macht die Bahn ausgerechnet im Lockdown Fahrgasterhebungen?«, frage ich zurück. »Weil das immer gemacht wird!« Ich bin für die Homeoffice-Pflicht für Fahrgastbefrager.
Die Bahn sagt dazu, sie habe die Fahrgastbefragungen auf ein Mindestmaß reduziert. »Die freiwilligen Befragungen im Zug finden selbstverständlich unter strengster Berücksichtigung der Corona-Schutzbestimmungen statt.« Das kann ich nicht bestätigen, genauso wenig die Aussage, dass dabei wichtige Erkenntnisse bezüglich Abstandsregeln, Einhaltung der Maskenpflicht, Sicherheitsempfinden, Reinigung gesammelt wurden. Ich wurde nur nach meiner Fahrkarte und dem Grund meiner Reise gefragt.
Der ICE wird dann leider trotz Corona ziemlich voll; nach dem Winterchaos fallen noch viele Züge aus. Als ich einschlummere, denke ich: Wie schön wäre es, einfach aufzuwachen und alle Probleme mit der Bahn wären auf einen Schlag gelöst. Oder noch besser: Die Bahn-Probleme wären noch da, stattdessen wäre aber die Pandemie vorbei. Einen Moment wird man ja wohl noch träumen dürfen unter seiner Maske.