Wie so viele Geschichte entstand auch diese durch einen Satz, den man in einer anderen Geschichte gelesen hatte: Philippe Starck, der vielleicht bekannteste Designer unserer Zeit, berühmt für eine Saftpresse, die aussieht wie Ungeheuer und seine Hundertmillionen-Megayacht, die er Steve Jobs bauen ließ, verbringe seine Zeit am liebsten in seinen entlegenen Privathäusern, wo es kaum Strom und Wasser gibt und keine Straßen hinführen.
Was macht der Mann, der von Autos über Möbel bis hin zu Badarmaturen und Luxushotels so ziemlich alles gestaltet hat, dort so? Und warum braucht er gleich ein Dutzend solcher kargen Verstecke?
Weil er an der Schwelle zum Autisten sei und nur dort arbeiten kann, so der 67-jährige Franzose beim Interview in seiner Fischerhütte an der Südwestküste Frankreichs. Über den genauen Ort wurde Stillschweigen vereinbart, aber Fotos darf man machen – Philippe Starck mag ein Einzelgänger sein, uneitel ist er nicht. Und Strom und Wasser gibt es natürlich auch. Doch mehr Komfort gibt es nicht. Ein Bett, ein Schreibtisch, eine kleine Küche, Dusche, ein Kanonenofen für den Winter, auf einem Regal eine Batterie aus handbetriebenen Taschenlampen. »Hier fühle ich mich sicher«, sagt Starck, der hier am liebsten am Schreibtisch sitzt und Projekte bearbeitet, mit Bleistift und Papier, ohne W-Lan, »ich bin auf meinem Territorium«.
Seit seiner Kindheit falle es ihm schwer mit Menschen zu kommunizieren. Seine Kreativität, die er in Hunderten von Produkten unter Beweis gestellt hat, empfinde er als Krankheit, die ihn zwar erfolgreich gemacht habe, aber auch einsam und desillusioniert. Man muss sich Philippe Starck aber nicht wirklich als deprimierten Menschen vorstellen. Eher wie einen Getriebenen, der nicht weiß, wo er hingehört. Stolz auf das Erreichte empfindet er nicht, lieber wäre er Wissenschaftler geworden. »Es ist nett einen guten Stuhl zu haben, besser als einen schlechten, aber wie kann man dafür eine große Leidenschaft entwickeln? Der Beruf des Designers ist nutzlos, gemessen an unseren heutigen Problemen. Nur die Wissenschaft kann uns retten.«
So ketzerisch er über seine eigene Profession spricht, so beseelt wirkt er, wenn es ums große Ganze geht, die Evolution, zu dem jeder seinen Beitrag leisten müsse: »Vor meiner Fischerhütte gibt es jede Menge Schlick und Schlamm. Es ist der gleiche, in dem vor vier Milliarden Jahren das Leben entstand. Die Bakterien damals ahnten nicht, was wir heute sind, und wir haben keine Ahnung, was wir in Milliarden Jahren sein werden. Darum finde ich es so rührend, wenn Leute ins Kino gehen oder in eine Bar und denken, das wäre das Leben.«
Dann steigt er wieder in sein Boot, das uns zurück ans Festland bringt und brettert über die Wellen, zurück ins falsche Leben.
Foto: Stephanie Füssenich