Ob sie Designerin ist, weiß Allison Kudla selbst nicht so genau, denn eigentlich ist sie Künstlerin. Oder Biologin. Vielleicht aber auch Erfinderin. Es kommt ganz darauf an, von welchem Standpunkt aus man ihre Arbeit betrachtet. Vor allem aber, wie man Design im 21. Jahrhundert definiert. Nämlich nicht mehr als heilige Profession, ausgeübt von schöngeistigen Männern in dunklen Anzügen am Zeichentisch, sondern als gestalterische Disziplin, die umso spannender wird, je offener sie für andere Disziplinen ist. Weitblick statt Tunnelblick – kann ja nicht schaden in einer Zeit, die bekanntlich immer unübersichtlicher wird.
Allison Kudla, 33, hat Kunst studiert, ist aber auch Doktor der Philosophie. Eigentlich wollte sie Malerin werden, entdeckte dann aber die digitalen Medien und irgendwann die Biotechnologie für sich. Heute entstehen ihre Werke nicht mehr auf der Leinwand oder auf dem Computerbildschirm, sondern in Petrischalen. Sie experimentiert mit Zellkulturen. Sie kreiert gemusterte Kacheln, die leben. Sie nennt es Biodesign – doch mit grünem Lifestyle und Ökodenken hat es wenig zu tun. »Für mich sind Pflanzen ein neues künstlerisches Medium, ein Designmaterial«, sagt sie.
Früher hat sie mit Computern gearbeitet, um interaktive Installationen zu erschaffen: Tische, die Geräusche von sich geben, wenn man sich ihnen nähert, Tapeten, die ihre Muster ändern, wenn man den Raum betritt. »Doch dann entdeckte ich, dass das spannendste Betriebssystem die Natur selbst ist. Doch dazu muss man sie erst mal verstehen.« Deshalb zog sie den Malerkittel aus, tauschte ihn gegen einen Laborkittel und begann, in einem Biotech-Labor im indischen Bangalore mit Tabakblättern herumzuexperimentieren. Sie sind beliebt bei Biologen, weil sie omnipotente Zellen haben – aus jeder einzelnen Zelle kann wieder ein ganzes Blatt wachsen.
Natürlich wurde sie anfangs misstrauisch beäugt von den Wissenschaftlern, die eher mit Pipetten hantieren, während sie ganze Eimer mit Nährlösung in riesige Petrischalen kippte. »Doch am Ende haben sie mir geholfen, sie waren sehr interessiert, was ich da so treibe.«
Was sie da so treibt, hört sich erst mal wie eine Spielerei an: Sie formt Muster aus zerschnittenen Tabakblättern, setzt diese in Kacheln mit Nährlösung und wartet, was passiert. Hat sie steril gearbeitet, beginnen die Muster nach ein paar Tagen winzige Babyblätter auszutreiben. Das Muster wächst, verändert seine Form und Farbe, altert und stirbt irgendwann.
Noch sind ihre Kacheln nur in Austellungen zu sehen, und ja, die Frage, wie so etwas jemals in Massenproduktion gehen soll, noch unbeantwortbar. Doch die ersten Versuche mit Herstellern und Innenarchitekten verliefen vielversprechend, sagt Kudla. Man darf ihr deshalb ruhig glauben, wenn sie prophezeit: »In ein paar Jahren wird es grüne Wände geben, Möbel, die wachsen, lebende Tapeten, die sich verändern wie die Jahreszeiten.«
(Fotos: Lele Barnett, Getty)