SZ-Magazin: Herr Joop, in Ihrer Villa Wunderkind gibt es keine Türen. Warum?
Sie ist wie eine Galerie angelegt mit klösterlichen Wandelgängen auf drei Stockwerken.
Es gibt kein Zimmer, wo man sich mal zurückziehen kann?
Ganz oben unter dem Dachjuchhe hab ich eins mit niedriger Decke, das aussieht wie ein Feldlager. Da lieg ich dann mit meinen beiden Hündinnen rechts und links im Arm und erwarte die Dämonen der Nacht.
Wie würden Sie Ihren Einrichtungsstil beschreiben?
Very precious, aber anti-bourgeois, eher bobo, also bohème-bourgeois. Nichts passt wirklich zusammen.
Was kommt Ihnen nicht ins Haus?
Acrylstühle von Philippe Starck. Polyrattan-Sofas. All das monströse Plastikzeug, das in 30 000 Jahren nicht verrottet.
Ikea?
Ich hab ja nichts gegen Gefängnisarbeit, aber ich habe nichts von Ikea, nein.
Wie riecht Potsdam, da wo Sie wohnen?
Ganz anders als Berlin, Gott sei Dank. Nach dem kalten, langen Winter erinnerte mich der Geruch von Berlin an den von Seoul, wo ich im März war. Nach Benzin, Abgasen und trockener Kälte. In Potsdam riecht es immer etwas brackig vom See her. Potsdam ist ja eine ehemalige Moorlandschaft. Aber auch eine Gartenstadt. Im Sommer fängt sich die Sonne im Boden, dann duftet es nach Pfingstrosen und Klatschmohn und Schwertlilien.
Wo gibt es Chaos in Ihrer Wohnung?
Ach, überall. Ich habe ja Hunde.
Was hören Sie, wenn Sie das Fenster aufmachen?
Hundegebell. Vögel. Ich habe ganz viele Krähen und Dohlen in den Bäumen. Manchmal auch Kirchenglocken, denn in Potsdam gibt es ja viele Campaniletürme. Den letzten Campanile hat sich mein Nachbar Herr Jauch gebaut aus Beton, ein Material, das hier eigentlich nicht vorgesehen war.
Kommt er manchmal rüber auf ein Glas Wein?
Nein, Herrn Jauch sieht man fast nie hier in der Berliner Vorstadt. Wie soll er das auch schaffen, er ist ja immer im Fernsehen.
Ist die Villa Wunderkind das Haus, in dem Sie alt werden wollen?
Die Frage habe ich mir noch nicht gestellt. Eigentlich wollte ich ja in meinem Geburtshaus gleich beim Schloss Sanssouci alt werden, aber das ist durch den Erbstreit mit meiner Tochter gerade etwas verdüstert. Eigentlich will ich gar nicht alt werden.
Aber wenn es schon sein muss, dann lieber in Ihrem Geburtshaus?
Auf unserem Familienanwesen könnte ich über den Hof gehen, durch den alten Garten durchs Tor zum Friedhof, wo meine Vorfahren liegen. Und durch den Friedhof gehe ich zum Park von Sanssouci. Dort auf dem Aussichtsturm, der damals zerbombt war, haben wir als Kinder immer gespielt und die erste Todesnähe gefühlt. Also das wäre schon der richtige Ort, um den Kreis zu schließen.
Sind Sie religiös?
Dass es Gott gibt, merkt man daran, dass er nicht da ist. Sonst hätten wir ja keinen Platz. Er hat uns als Vater praktisch die Welt wie ein Kinderzimmer hinterlassen.
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Wolfgang Joop, 66, ist Designer und Gründer der Modehäuser Joop! (das er 1998 verkaufte) und Wunderkind. Er lebt seit 2003 in der Villa Wunderkind in Potsdam, einem neoklassizistischen Bau aus dem Jahr 1904, den er vom Architekten Josef Paul Kleihues im Stil einer Galerie umgestalten ließ.
Fotos: Todd Selby