Sagt Ihnen der Name Al-Ghriba-Synagoge noch etwas? Der schwere Terroranschlag auf Djerba, der viele deutsche Tunesienurlauber tötete im Jahr 2002? Die schlimmen Bilder aus der Tagesschau sind in unserer Erinnerung nach und nach verblasst, man hat seitdem von so vielen anderen Anschlägen gehört - Bali, London, Paris, Berlin. Andrea Esper wird Djerba, den 11. April 2002, nie vergessen können. Sie machte ausgerechnet an diesem Tag mit ihrer Familie einen Ausflug in die bei Touristen beliebte Synagoge.
Sie war zum Glück schon in den hinteren Teil des Gebäudes gegangen, aber ihr Mann und ihr dreijähriger Sohn standen nahe beim Ausgang, an dem ein Attentäter einen Tanklaster zur Explosion brachte. Der Feuerball riss Vater und Kind um, besonders der Kleine erlitt schwerste Verbrennungen.
»Rückblickend haben wir als Familie seit dem Anschlag Dinge geschafft, von denen ich nicht gedacht hätte, dass wir die Kraft dazu haben«, sagt sie im Dezember 2016. Viele, viele Jahre hat der Anschlag ihr Leben bestimmt. Ihr Sohn ist gerade volljährig geworden und hat beschlossen, dass der Terror lang genug sein Leben bestimmt hat, jetzt soll ein neues beginnen. Er spielt mit dem Gedanken, Medizin zu studieren. »Vielleicht, weil er so viele Ärzte erlebt hat.«
Im Gespräch mit dem SZ-Magazin erzählen Frau Esper und sieben weitere Terroropfer von dem schweren und langen Weg zurück in den Alltag. Der Terror ist in Europa schon fast zum Alltag geworden, wir gewöhnen uns an schwer bewaffnete Polizisten, die durch Bahnhöfe patrouillieren und warten geduldig beim Sicherheitscheck vor Konzerten oder Fußballspielen. Immer mit dem Gedanken »es wird schon nicht hier passieren«. Das dachte Lars Waetzmann auch, als er mit seiner Frau am Abflugschalter des Flughafen Brüssel-Zaventem stand. »Die Explosion habe ich gar nicht bewusst mitbekommen. Ich bin auf dem Boden liegend aufgewacht. Chaos, alles voll Ruß, vereinzelte Feuerstellen, am Boden liegende Körper.«
Die Opfer von Terrorismus sind nur kurze Zeit im Blickpunkt der Öffentlichkeit, wenn sie auf Bildern vom Anschlagsort zu sehen sind, blutend durchs Bild laufen, auf Krankenliegen davon getragen werden oder geschockt als Augenzeugen berichten. Aber wie geht es weiter? Wie lebt man mit solchen Erinnerungen, solchen Wunden? Wie verändert es die Sicht auf die Welt, die politische Einstellung, wie denkt man über die Täter?
In dieser Geschichte kommt ein Mann zu Wort, der 2001 im World Trade Center saß und ein anderer Mann, der im Dezember 2016 in einem Glühweinstand am Breitscheidplatz verkaufte und noch immer im Krankenhaus liegt. Kann die Zeit tatsächlich Wunden heilen, wie man immer sagt?
Alle acht Protokolle von deutschen Terroropfern können Sie
Foto: dpa