Die Gewissensfrage

»Ich bin Fußballschiedsrichter und bekomme eine Reisekostenentschädigung von 30 Cent pro Kilometer. Ich kenne noch drei weitere Schiedsrichter, die alle grundsätzlich zehn Kilometer mehr aufschreiben, als sie fahren. Da wir alle benachbart sind, würde der ›Betrug‹ auffallen, wenn ich zu den gleichen Stadien weniger abrechne als sie. Nun stelle ich mir die Frage, ob ich ebenfalls zehn Kilometer mehr berechnen oder doch lieber die wirklich gefahrenen Kilometer aufschreiben sollte, auch wenn ich die ›Kollegen‹ damit in die Gefahr einer Strafe bringe. Können Sie mir helfen?« PAUL D., MÜNCHEN

Was steht sich hier gegenüber? Auf der einen Seite die Solidarität mit Ihren Kollegen, auf der anderen Seite die – auch rechtliche – Pflicht, richtig abzurechnen und sich nicht unberechtigt zu bereichern. Die gilt unabhängig davon, ob oder wie wenig Honorar man bekommt. Man muss sicherlich nicht mit einem Meterstab hinter dem Auto herlaufen und die Zentimeter nachmessen. Wenn man vergessen hat, den Tachostand abzulesen, muss man sich bei der Schätzung auch nicht absichtlich benachteiligen. Aber planvoll wissentlich jeweils zur eigenen Bereicherung mehr aufzuschreiben, ist schlicht und einfach Betrug – ohne Anführungszeichen. Selbst wenn es nur um drei Euro geht; wenn die nicht zählen, braucht man sie auch nicht zu erschleichen. Man kann überlegen, ob Sie gegenüber Betrügern fair sein müssen. Unter »Sportfreunden« liegt es jedenfalls nahe. Deshalb böte sich an, Ihre Kollegen darauf hinzuweisen, dass Sie korrekt abrechnen und die Täuschungen dadurch auffallen könnten. Mitmachen, um sie zu decken, müssen Sie auf keinen Fall. Ja, Sie dürfen es nicht einmal. Falsch verstandene Solidarität ist weder Grund noch Rechtfertigung für eigenes Fehlverhalten.