Eines vorweg: Ich bin kein Pädagoge, will deshalb gar nicht versuchen zu beurteilen, welche Folgen, positive oder negative, es für ein Kind hat, wenn ein derartiger Herzenswunsch sich als unerfüllbar erweist. Das spielt natürlich mit hinein, hier aber soll es primär um die ethischen Aspekte gehen. Wir könnten also die Grundsatzdebatte eröffnen, ob nun jede Lüge verwerflich ist oder nur die, welche Schaden anrichtet, worauf Sie mit Ihrer Bezeichnung »harmlose Schwindelei« anspielen. Oder wir könnten uns mit dem alten Problem jeder Lüge beschäftigen: Was passiert, falls Ihre Tochter die Täuschung zufällig bemerkt?Doch der eigentliche Knackpunkt Ihrer Frage liegt meines Erachtens woanders. Letztlich entscheidet sich für mich alles an einem Wort: Respekt. Manchmal mag es buchstäblich kinderleicht erscheinen, ein Kind zu betrügen, aber gerade deshalb sollte man es nicht tun. Respekt vor anderen zeigt sich vor allem dort, wo es leicht wäre, ihn nicht zu zollen; nicht beim Mächtigen, sondern beim Verwundbaren. Natürlich kann man argumentieren, Ihnen liegen die Gefühle Ihrer Tochter besonders am Herzen, deshalb wollen Sie auf alle Fälle ein Foto organisieren. Ich sehe es jedoch genau umgekehrt: Letztlich ist Ihnen der Wunsch Ihrer Tochter, was seinen Inhalt betrifft, ziemlich egal; sie wollen ihn nur scheinbar erfüllen, die Kleine nur glücklich sehen. Allein, das ist in erster Linie Ihr Wunsch, nicht der Ihrer Tochter. Ich gebe zu, das ist eine recht theoretische Betrachtung und in der Praxis häufig nur schwer umsetzbar. Hier aber scheint mir das möglich und durchaus geboten, wenn Sie Ihre Tochter als eigenständigen Menschen mit eigenständigen Wünschen respektieren wollen. Wer damit anfängt, seinem Kind falsche Fotos unterzujubeln, um alle glücklich zu machen, schickt es am Ende in die Mini Playback Show, damit sich alle amüsieren.
Die Gewissensfrage
»Unsere kleine Tochter hat ein Pony und wünscht sich sehnlichst ein Foto aus der Zeit, als es noch ein Fohlen war. Nun habe ich den Züchter angerufen. Er will nachschauen und ich habe ihm gesagt, wenn er kein Foto von unserem Pony hat, dann soll er mir einfach eines schicken, das so ähnlich aussieht. Meine Familie findet, das sei ›Betrug‹; ich meine, es ist eine harmlose Schwindelei. Niemand wird beleidigt oder verletzt und unsere Tochter hat ihr Foto. Aber so ganz wohl fühle ich mich doch nicht dabei.« KLAUS K., DÜSSELDORF