Ein wenig muss man bei der Konstellation an Oliver Stones Film Wall Street denken. Nur fließt die Information auf der Leinwand in umgekehrter Richtung: vom Vater, gespielt von Martin Sheen, zum Sohn und dann als illegales Insiderwissen weiter zum Börsenhai Gordon Gekko, dargestellt von Michael Douglas. Demgegenüber ging beim Tipp Ihres Sohnes bestimmt alles mit rechten Dingen zu.Dennoch, der Film thematisiert Gier und Gnadenlosigkeit in der Wirtschaft. Auf dieser Ebene ließe sich behaupten, dass Ihr Sohn – kostenlos – eine perfekte Lektion für sein Studium erhält, wenn er erleben kann, wie selbst beim Kleinanleger am Rand der Börse jeder seinen Profit maximiert und die anderen in die Röhre schauen. Dieses Erlebnis wird ihn hart machen und seine Kar-rierechancen erhöhen. Das damit verbundene höhere Einkommen könnte später die 400 Euro als Peanuts erscheinen lassen. Doch im Gegensatz zu Stones Filmkunst sind derartige Plattheiten wirklich kein Meisterwerk der Argumentationskunst, weshalb man nach einer analytischen Lösung suchen muss: Der Geldstrom entsprang aus zwei Quellen, der Information und Ihrem angelegten Kapital. In gewissem Sinne haben Sie und Ihr Sohn also beide je einen Anteil in ein Geschäft eingebracht. Da wirkt es schon irgendwie befremdlich, wenn der Gewinn nur beim Kapital bleibt; obwohl sich dann die Frage stellt, wie es im Falle eines Verlusts ausgesehen hätte.Hierzu ließe sich viel entgegnen und lange streiten, aber kaum innerhalb einer Familie: Ein gemeinsamer Erfolg, bei dem ein Familienmitglied durch Zufall besser wegkommt als ein anderes – da scheint mir das Teilen der Freude wie der Früchte nahezu selbstverständlich.
Die Gewissensfrage
»Mein Sohn studiert Wirtschaft und interessiert sich für das Treiben an der Börse. Neulich erzählte er mir von einer interessanten Neuemission und riet mir, diese zu zeichnen, was ich dann auch tat. Bei der Zuteilung ging er allerdings leer aus, während ich mich über ein paar Stücke freuen konnte. Die Aktien habe ich inzwischen mit einem Gewinn von 400 Euro verkaufen können. Nun stehe ich vor der Frage, ob ich als gut situierter Vater meinem Sohn, der jeden Monat trotz meiner Unterstützung nur knapp über die Runden kommt, vom Gewinn abgeben soll. Ohne ihn hätte ich das Papier niemals gezeichnet.« DIETRICH W., MÜNCHEN