Auch bei mir gäbe es eine Menge zu tun: ein (verspäteter) großer Frühjahrsputz, die Bücher in der Bibliothek müssten neu geordnet werden; das Gleiche gilt für die Ablage im Büro. Die Wände brauchen einen neuen Anstrich, die Kolumne macht immer mehr Arbeit und der Müll wäre auch noch runterzutragen. Zum Glück habe ich Freunde. Soll ich die jetzt einspannen? Sie werden an dieser Stelle oft genug Hymnen auf die Freundschaft lesen, aber keinen Rat, diese zu überstrapazieren oder auszunutzen. Natürlich soll man sich gegenseitig helfen. Wenn bei einem meiner Freunde ein Wasserrohr platzt, bin ich der Erste, der nicht nur in Gummistiefeln besorgt guckt wie weiland Kanzler Schröder am Elbedamm, sondern eigenhändig das Klavier ins Trockene schleppt. In den Stunden, die ich Liebeskummernden ein offenes Ohr lieh, hätte ich ein kleines Häuschen erwirtschaften können – und diejenigen, welche umgekehrt mir in meiner Seelennot lauschten, ebenso. Nur sind das Spezifika der Freundschaft, Hilfen, die man nicht, wie einen Umzug, nach einem kurzen Blick ins Branchenbuch genauso oder besser erhalten kann. Natürlich haben wir uns alle gegenseitig die Möbel geschleppt, aber wir leben nicht im sentimentalen Schwarzweißrückblick der Bierwerbung. Freunde jenseits der 30 erscheinen nur deshalb billiger als ein Spediteur, weil die Bandscheibenoperationen und die Krankengymnastik der sonst am Schreibtisch Arbeitenden die Allgemeinheit zahlt. Müsste der Auftraggeber dafür aufkommen, er würde es sich dreimal überlegen.Deshalb habe ich mit dem Verband der Umzugsunternehmer ein Abkommen geschlossen: Ich führe keine Umzüge durch, dafür schreiben Spediteure keine Kolumnen. Und allen meinen Freunden rate ich zu ebensolchen Verträgen.
Die Gewissensfrage
»Ein Freund bat mich, bei seinem Umzug zu helfen. Es fällt mir schwer, ihm die Bitte abzuschlagen. Andererseits habe ich selbst beim letzten Mal ein Umzugsunternehmen beauftragt, da ich meine Freunde nicht einspannen wollte. Zwar war es früher bei uns üblich, sich gegenseitig bei Umzügen zu unterstützen, wir waren alle Studenten mit wenig Geld und wenig Möbeln. Heute haben aber die meisten meiner Freunde viele Möbel und wenig Freizeit, und die möchten sie ebenso wie ich gern für angenehmere Dinge als Kistenschleppen verwenden. Was soll ich tun?« HARTMUT S., BERLIN