Was für eine absurde Situation: Ein Geschäft oder eine Organisation möchten für etwas werben. Sie beauftragen einen Grafiker, der ein Flugblatt entwirft, und eine Druckerei stellt es her. Verteiler werden engagiert, die sich in die Fußgängerzone stellen und Ihnen das Werbematerial in die Hand drücken. Sie nehmen es, womöglich sagen Sie Danke.
Sobald Sie um die Ecke sind, werfen Sie es ungelesen in den nächsten Papierkorb, von wo es direkt auf die Müllkippe wandert. Weil Sie nicht unhöflich sein wollen. Fast möchte ich Sie fragen, bei wie vielen Hilfsorganisationen und Tierschutzwerken Sie inzwischen Mitglied sind. Was für ein Glück, dass die Zettelverteiler nicht Lexika verkaufen, sonst bräuchten Sie bald eine neue Wohnung für all die Bücher. Falls Sie nicht wegen eines freundlichen Anwerbers bei der Fremden-legion landen.Ganz im Ernst, die zentrale Überlegung an dieser Stelle lautet doch: Kann die Tatsache, dass ein Mensch sich von wem auch immer dafür bezahlen lässt, Ihnen etwas in die Hand zu drücken, Sie dazu verpflichten, das auch anzunehmen?
Darauf ist die Antwort einfach: natürlich nicht. Ebenso wenig wie Sie die Haustüre zu öffnen brauchen, wenn jemand bei Ihnen unerwünschte Werbung einwerfen möchte. Dabei bedarf es auch keiner langen Erklärungen. Ein einfaches »nein danke« ist der Situation völlig angemessen. Sie können auch »Vielen Dank, aber das möchte ich nicht« oder »Das brauche ich nicht« sagen.
Das ist weder unhöflich noch ignorieren Sie jemanden; vielmehr erkennen Sie ihn als Person an – zu mehr sind Sie in dem Moment nicht verpflichtet. Auf der Straße können Sie das auch mit einem Lächeln machen, wenn Ihnen der- oder diejenige sympathisch ist. Aber Sie müssen nichts annehmen, was Sie nicht wollen.
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Illustration: Marc Herold