Die Gewissensfrage

"Mein siebenjähriger Sohn und ich hätten gern eine Katze. Nun lebe ich seit vier Jahren getrennt von seinem Vater und unser Sohn wächst abwechselnd bei uns beiden auf. Das Problem: Mein Ex-Partner leidet unter einer Katzenhaar-Allergie. Bin ich nun - trotz Trennung - aus moralischen Gründen verpflichtet, auf eine Katze zu verzichten, weil mein Sohn die Katzenhaare in den Haushalt meines Ex-Partners einschleppen würde?" Ramona Z., Burghausen



Das ist einer der raffiniertesten Fälle von Biowaffeneinsatz, der mir je untergekommen ist. Verbunden mit psychologischer Kriegsführung, nachdem Sie betonen, dass ja auch der Sohn gern so eine niedliche Katze hätte. Rosenkrieg mit Katzenhaar, der Nachwuchs als familiäre Kurzstreckenrakete, die allergene Sprengköpfe zwischen den Wohnungen transportiert – Genfer Konvention und Haager Landkriegsordnung hohnlachend. Ihr Ex-Partner kann sich nun entscheiden, warum die Tränen fließen, wie’s Bächlein auf den Wiesen: Wegen der Katzenhaare oder weil der Herzenswunsch des Kindes versagt bleibt. Der Vater hat’s verboten. Miau! Mio! Miau! Mio!

Nun weiß ich nicht, warum Sie sich getrennt haben und wie sich Ihr Verhältnis derzeit gestaltet – das Bild von Hund und Katze verkneife ich mir. Vielleicht mögen Sie sich ja, auf jeden Fall steht Ihr Miteinander zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite sind Sie nach der Trennung wieder freie Menschen. Auf der anderen Seite werden Sie zeitlebens über Ihren Sohn verbunden bleiben. Liebesbeteuerungen, Treueschwüre und Eheversprechen können Sie aufkündigen, nicht aber ein gemeinsames Kind. Es ist ein Fleisch gewordenes säkulares »bis dass der Tod uns scheidet«.Tatsächlich können allergische Reaktionen bis dorthin führen – eine zwar praktische, ethisch aber bedenkliche Lösung. Da sie ausscheidet, muss man überlegen: Der gemeinsame Sohn ist der Angelpunkt – tatsächlich wie moralisch, und dort würde ich ansetzen. Vielleicht kann man es ganz pragmatisch arrangieren, dass er sich jedes Mal duscht und die Kleidung wechselt, wenn er von Ihnen zum Vater wechselt. Falls das nicht machbar ist und die Katze den Umgang Ihres Ex mit seinem Sohn massiv erschwert oder gar unmöglich macht, steht Katzenliebe gegen Elternliebe. Und dann müssen – Miau! Mio! hin oder her – Minz und Maunz zurückstehen.
Haben Sie auch eine Gewissensfrage? Dann schreiben Sie an Dr. Dr. Rainer Erlinger, SZ-Magazin, Hultschiner Str. 8, 81677 München oder an gewissensfrage@ sz-magazin.de.