»Wir würden gern zu einer runden Geburtstagsfeier 20 Freunde einladen, darunter auch zwei Paare, die miteinander Streit hatten und sich darum seit Jahren meiden. Wenn wir diesen Paaren andeuten, dass das jeweils andere Paar auch kommt, werden vermutlich beide Paare wegbleiben. Dürfen wir sie einladen, ohne sie vorab zu informieren, weil wir sie gern beide dabeihätten und hoffen, dass sich die Fronten durch das überraschende Wiedersehen eventuell entspannen? Oder sind wir als Gastgeber aus Gründen der Freundschaft und Fairness zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet?« Linda W., Wiesbaden
Ähnliche Situationen kennt wohl jeder, offensichtlich sind sie häufig. Und für alle Konstellationen im Miteinander, die typisch im Wortsinn sind, lohnt sich ein Blick in Freiherr von Knigges Über den Umgang mit Menschen aus dem Jahre 1788. Tatsächlich findet sich in diesem klugen Buch, das gegen seinen landläufigen Ruf nicht Etikette, sondern zwischenmenschliches Verhalten behandelt, ein Abschnitt »Über den Umgang mit Leuten, die einander feind sind«. Knigge stellt darin fest, dass man es sich »gar leicht mit einer Partei verdirbt, sobald man mit der anderen gut steht«, und empfiehlt daher »Vorsichtigkeitsregeln«: »Soviel man kann, vermeide man die Unannehmlichkeit, mit zwei Parteien zur gleichen Zeit umzugehen, die miteinander in Zwist leben.« Falls man das nicht wolle, weil man etwa, wie bei Ihnen, schon lange befreundet sei, solle man sich möglichst aus dem Streit heraushalten, auch weil man »es sich mit beiden verdirbt, wenn man sich ungebeten oder auf unvorsichtige Weise in diese Händel mischt«.
Hilft das hier weiter? Teilweise. Meines Erachtens gebieten nicht nur Vorsicht, sondern auch Freundschaft und Fairness einen entsprechenden Hinweis an die Streithähne oder -hennen. Es ist zwar schade, wenn dann beide Paare wegbleiben oder auch nur eines; zumal sie sich bei 20 Gästen nicht zwangsläufig unterhalten müssen und die Feier tatsächlich eine gute Gelegenheit zur Entspannung des Konflikts bietet. Entgegen Knigges Rat würde ich hier auch »auf vorsichtige Weise« versuchen, die Paare zum Kommen zu bewegen. Aber nicht mehr. Solange es sich vermeiden lässt, sollte niemand gegen seinen Willen oder absichtlich ahnungslos in eine Situation gebracht werden, die er oder sie nicht will. Der Ansatz, sie nicht zu informieren, mag wohlgemeint sein, im Endeffekt erheben Sie sich damit jedoch über die Betreffenden und glauben besser zu wissen, was gut für sie ist. Und das ist nur in den seltensten Fällen gerechtfertigt.
Zudem tragen Sie das Risiko, dass womöglich vier schlecht gelaunte Gäste bei Ihrem runden Geburtstag herumsitzen oder wütend das Fest verlassen und Sie es sich am Ende mit allen verderben – ganz wie von Knigge vorhergesagt, der viel von Menschen verstand.
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Quellen:
Adolph Freiherr von Knigge, Über den Umgang mit Menschen, in verschiedenen Ausgaben erhältlich, zum Beispiel Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008 oder mit Illustrationen von Chodowiecki und anderen herausgegeben von Gert Ueding, Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001
Illustration: Marc Herold