Heute mache ich menstruationsfrei

In Kristel de Groots Firma können sich Frauen, die ihre Tage haben, einfach frei nehmen. Im Interview erklärt die Unternehmerin, wie sie auf die Idee dafür kam und warum das Thema auch heute noch sehr schambehaftet ist.

Die Niederländerin Kristel de Groot, 30, gründete zusammen mit ihrem Partner Michael Kuech im Jahr 2015 die Firma Your Super, ein Startup für Nahrungsergänzungsmittel, das anfangs in Berlin ansässig war und inzwischen nach Kalifornien umgezogen ist.

Foto: Your Super

Das Problem: 20 bis 40 Prozent der Frauen werden regelmäßig durch Regelschmerzen beeinträchtigt. Bis zu 80 Prozent sagen, sie hätten schon einmal so starke Menstruations-Probleme bekommen, dass sie nicht wie gewohnt arbeiten konnten. 
Die Lösung: Die Unternehmerin Kristel de Groot gibt ihren Mitarbeiterinnen menstruationsfrei.

In diesem Augenblick haben etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung ihre Tage. Ist also gar nicht so selten – und gilt trotzdem immer noch als Tabuthema. Die niederländische Firmengründerin Kristel de Groot, 30, musste einmal einen wichtigen Vortrag vor Vorstandsmitgliedern halten, während sie ihre Tage hatte und sich vor Schmerzen kaum konzentrieren konnte. Aber natürlich hat sie das den Zuhörenden nicht offen gesagt, sondern die Zähne zusammengebissen. Nach dieser Erfahrung führte sie in ihrer Firma Your Super, einem Startup, das Nahrungsergänzuingsmittel herstellt und vertreibt, im vergangenen Juni »Moon Days« ein, Menstruationsurlaub für Frauen, die ihre Tage haben. Was bringt das?

SZ-Magazin: Ihre weiblichen Mitarbeiterinnen können sich bei Bedarf menstruationsfrei nehmen. Warum? Menstruation ist ja keine Krankheit.
Kristel de Groot: Es ist keine Krankheit, aber auch wirklich kein Spaß und für alle Frauen eine sehr individuelle Erfahrung. Bei mir persönlich sind die Tage nicht so schlimm, aber ich fühle mich schon oft nicht so toll. Und irgendwie habe ich immer ausgerechnet an diesen Tagen wichtige Vorstands-Meetings oder die entscheidende Konferenz. Da dachte ich mir, ich sitze nun vor all diesen Männern – es sind halt auf Vorstandebene vor allem Männer – und ich fühle mich nicht 100 Prozent, aber ich kann das nicht laut sagen.

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Was genau sind die »Moon Days«?
Moon Day heißt: Du kannst von zu Hause aus arbeiten, du kannst ins Büro kommen, du kannst alle Meetings absagen und dir freinehmen – was auch immer für dich am besten ist. Ich nenne es einen »Mach, was du kannst«-Tag. Wir produzieren pflanzenbasierte Nahrungsergänzungsmittel, Superfoods, nachdem mein Partner Michael Kuech mit 24 Jahren Hodenkrebs bekam. Er schleppte sich durch die Chemotherapie und war danach krebsfrei, aber nur noch ein Schatten. Meine Mutter hatte Krebs gehabt, als ich zwölf war. Ich dachte mir, wenn das ihm und meiner Mutter passiert, kann es jedem passieren. Ich wurde Veganerin und fütterte Michael mit Superfoods. Erst wollte er nicht, aber dann ging es ihm besser, und so entstand das Konzept für die Firma. Der offene Umgang mit der eigenen Gesundheit gehört bei uns also dazu.

»Die Arbeitswelt wurde von Männern gebaut und hat sich seither nie grundsätzlich geändert«

Welches Problem löst es, wenn Frauen an ihren Tagen frei kriegen?
Es ermutigt die Leute, auf ihren Körper zu hören und sich auch mal auszuruhen, um dann später wieder mit voller Kraft Einsatz zu bringen. Die Arbeitswelt wurde von Männern gebaut und hat sich seither nie grundsätzlich geändert. Die fortschrittlichsten Firmen bieten heute kostenlose Tampons an, die haben wir natürlich auch in unseren Büro-Toiletten, aber das reicht nicht. Ich fand, da müsse sich etwas ändern, also habe ich die Idee von den Moon Days bei uns vor versammelter Mannschaft vorgeschlagen.

Wie waren die Reaktionen?
Erstmal betretene Stille, nach dem Motto: Oh, wir reden darüber? Es sind ja nicht nur Männer, die darüber nicht reden wollen, sondern auch Frauen. Die Jungs sagten natürlich gleich, sie bräuchten auch Moon Days. Nee, braucht ihr nicht.

Ist das fair, wenn Frauen einen Tag im Monat frei bekommen,  ihre männlichen Kollegen aber nicht?
Ich erkläre ihnen dann, wie der Zyklus funktioniert und dass Hormone bei Männern und Frauen unterschiedlich sind, dann werden sie ganz still.

Wie ist der Menstruationsurlaub seit der Einführung im Juni aufgenommen worden?
Manche nutzen ihn, manche nicht. Das Thema ist immer noch mit einem Stigma behaftet. Ich sage deshalb manchmal ganz offen: Ich nehme heute meinen Moon Day. Es geht in erster Linie darum, Empathie zu schaffen. Mir persönlich bereitetet die Menstruation keine massiven Probleme, aber manche Frauen leiden mehr darunter. Bevor wir den Menstruationsurlaub einführten, machten wir eine Umfrage unter unserer Belegschaft. Wir haben 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon drei Viertel Frauen. Wir fragten: Wie geht ihr damit um? Manche sagten, sie werfen einfach Schmerzmittel ein. Manche spüren wenig Unterschied. Manche sagten, sie seien an diesen Tagen eher müde oder könnten sich schlechter konzentrieren. Es war interessant, die Meinungen anderer Frauen zu hören. Unterm Strich sagten etwa 50 Prozent, die Periode beeinträchtige sie in irgendeiner Weise.

Kann Menstruationsurlaub trotz der guten Intention nicht auch erst recht stigmatisierend wirken? »Die hat wohl ihre Tage« wird ja nicht nur von Donald Trump als abschätzige Bemerkung benutzt, wenn eine Frau etwas sagt oder tut, das einem Mann nicht gefällt.
Das kann in beide Richtungen gehen, genau wie jede kulturelle Äußerung. Ohne Periode wären wir alle nicht auf der Welt, sie ist der Beginn neuen Lebens, also etwas, das wir feiern sollten. Sie ist nichts Schlechtes oder Schmutziges. Das zähle ich zu Führungsaufgaben: Lasst uns darüber sprechen. Wie ist das für euch?

Warum ist das Thema Ihrer Meinung nach so schambehaftet?
Ich bin eigentlich Holländerin, unser erster Firmensitz war in Berlin, nun sind wir viel in den USA. Da sehen wir auch international Unterschiede. In Holland berichteten die Medien ganz offen, in Amerika dagegen wollten manche Zeitschriften das Thema ausklammern. Auf der einen Seite ist es ein ganz persönliches Thema. Andererseits hat sich viel geändert. Vor 50 Jahren musste meine Großmutter noch ihren Beruf als Lehrerin aufgeben, als sie geheiratet hat. Damals galt das als Norm. Es hat sich also schon viel getan, aber lasst uns noch mehr verändern. Es gibt jetzt eine richtige Community bei uns von Frauen, die sich austauschen. Es muss ja nicht jede über ihre Tage reden wollen, aber zumindest sollte sich niemand dafür schämen.