Es gibt diese Freundinnen, die man nur vierteljährlich sieht. Nicht, weil man sie nicht öfter sehen will, sondern weil es genau so, wie es ist, immer total schön ist.
Ich habe so eine Freundin, aber es hat eine Weile gedauert, bis wir unseren Modus akzeptiert haben. Anfangs haben wir uns noch nach jedem Treffen mit den Worten verabschiedet: »Diesmal sehen wir uns aber mal eher!« Wenn wir uns wieder trafen, haben wir uns mit einem wilden Mix aus An- und Entschuldigungen begrüßt: »Oh, wie schön, dich wiederzusehen, endlich, hat ja ewig gedauert, einen Termin zu finden, du konntest zuletzt nicht, verstehe ich, ja, ich ja auch nicht.« Wieso machen erwachsene Menschen so was?
Dann folgte für die Dauer der Speisenauswahl, manchmal darüber hinaus, eine mühselige Aufzählungen dessen, was zuletzt alles dazwischenkam. Im Grunde ein Best-of-Stress aus einigen Wochen Frauenleben. Wer will das denn hören? Zumindest sollten es sich nicht auch noch die anhören müssen, die es ohnehin führen müssen. Und so paradox unser modernes Dasein eben ist, diente die Aufzählung des gebündelten Genervtseins eigentlich dazu, einander zu versichern, dass wir uns lieber mögen, als es die zwölf Wochen Pause vermuten lassen würden. Klingt kompliziert. Ist es auch.
Aber dann wurde uns immer mehr klar, warum die Vierteljährlichkeit unser Rhythmus ist. Wir sprechen ganz anders miteinander. Wer sich nur alle drei Monate sieht, fragt ja nicht, ob der Partner inzwischen endlich die Pfannen weggespült hat, wie diese eine Verwerfung mit dem Chef ausging oder ob das Kind noch die roten Stellen am Knie hat, wie damals im Mai. Man fragt anders, mehr so: Bist du glücklich? Kannst du zumindest hin und wieder im Beruf etwas tun, was dich wirklich erfüllt? Bist du gern Single? Oder Gegenfrage: Bist du gern nie allein zu Hause? Soll ich ein Kind kriegen? Wie viel muss man besitzen? Sollte man alles versuchen, um am Meer zu leben?
Natürlich sind diese Themen nicht an seltene Treffen gekoppelt. Man kann auch die Freundinnen nach dem Yoga so ansprechen oder die Nachbarin bei der Abendzigarette im Hof oder, klar, die nahe Freundin, die man öfter auf einen Wein trifft. Wahrscheinlich ist es aber so: Die großen Fragen stehen immer parat, man kann sich ihnen bloß nicht dauernd stellen. Sie sind zu wuchtig, die Antworten zu gefährlich, die Seele muss so weit gespannt werden.
Beim vorigen Mal fragte mich meine Quartalsfreundin, als drei Monate vergangen waren, sehr kurzfristig an: am Tag davor. Und ich habe zugesagt, obwohl ich für den nächsten Tag was ganz anderes geplant hatte. Denn das Schöne an einer Vierteljahrsfreundschaft ist ja, wie sorgsam man mit ihr umgeht. Während man im Alltagsverabredungsmodus ständig »Kann leider nicht« in die WhatsApp-Gruppen hackt, weil es am Montag eben nicht geht, Dienstag auch nicht, Mittwoch »vll« und »Do ma gucken«, und weil man freitags grundsätzlich »ko« ist, will ich zu ihr immer Ja sagen. Ein ewiges Planen und unwürdiges Halbzusagen fände ich unwürdig. Dann sind wir beide da, beim Griechen, es endet mit Ouzo. Und vielleicht ist das mit der gespannten Seele auch totaler Quatsch, und unsere Frequenz begründet sich schlicht daraus, dass wir nicht jede Woche so viel Ouzo runterkriegen.
Am Ende rufen wir dann einander zu: »Bis bald!« Und das meinen wir dann auch wirklich ernst. Was soll ich sagen? Wir sind eben sehr, sehr gute Vierteljahrsfreundinnen.