Ist es radikal, sich die Gedankenarbeit zu teilen?

Vor Weihnachten ist der »Mental Load«, also die geistige Belastung durch Haushalts- und Alltagsorganisation, besonders hoch. Was tun? Zunächst hilft es zu sehen, warum vor allem Frauen diese Aufgaben so oft übernehmen: Sie brauchen Anerkennung.

Foto: Paula Winkler

In einem Jahresrückblick hat die ZEIT gerade bilanziert, welche Dinge 2020 gar nicht so übel waren. Dort findet sich unter Punkt 40: »Männer wissen seit diesem Jahr endlich, was Mental Load ist (zumindest manche von ihnen).« Wissen Sie, was Mental Load ist?

In seiner ursprünglichen Bedeutung beschreibt Mental Load die gedankliche, oft unsichtbare Arbeit, die besonders im Familienkontext anfällt: Daran denken, dass ein Kind am nächsten Tag für die Kita neue Wechselwäsche braucht, dass die nächste Vorsorgeuntersuchung ansteht und ein Termin gemacht werden muss. Nicht vergessen, die Kerzen für den Adventskranz zu kaufen, bevor sie überall ausverkauft sind. Mental Load ist die unendliche To-Do-Liste im Kopf, mit der man abends einschläft, morgens wieder aufsteht und die nie zu schrumpfen scheint. Patricia Cammarata, Autorin des Buches »Raus aus der Mental-Load-Falle«, beschreibt im Eingangskapitel des Buches, dass es die gedankliche Belastung war, die sie als Mutter quasi ins Burnout schickte.

Dass die Erschöpfung durch Mutterschaft kein neues Phänomen ist, zeigt die Gründung des Müttergenesungswerks, das es seit 1950 gibt. Seitdem gab es viele gesellschaftliche Fortschritte, mehr Gleichberechtigung, Elternzeit, die auch von Vätern in Anspruch genommen wird. Selbst abgeschafft hat sich die Organisation, die Erholungskuren für Eltern und pflegende Angehörige ermöglicht, aber noch nicht. Noch immer bringt die Familienarbeit vor allem Mütter an den Rand des Zusammenbruchs, während es ihren Partnern, die häufig in Vollzeit erwerbsarbeiten, nicht so ergeht. Gedankenarbeit, die zu toxischem Stress wird, scheint in Familien geschlechtsspezifisch zu sein.

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Die Verantwortung, an alles zu denken, ist neben konkreten Fürsorge-Aufgaben eine eigene Form von anspruchsvoller, anstrengender Arbeit, die wenig Raum für anderes lässt. Denn die Familienarbeit endet nicht, sobald die Kinder im Bett sind. Rundherum gibt es lauter Dinge, oft schon am nächsten Morgen, die geplant werden müssen und für deren Ausführung oder Beauftragung eine Person verantwortlich sein muss. Patricia Cammarata beschreibt diesen Aspekt der Familienarbeit treffend als Projektmanagement, was in Unternehmen ein eigenständiger Vollzeitjob ist. Ihr Buch ist deshalb so empfehlenswert, weil sie sehr pragmatisch erklärt, wie man die Gedankenarbeit zunächst sichtbar machen und dann aufteilen kann, sodass die Familie schließlich wirklich gemeinsam gemanagt wird, statt dass nur eine Person alle Aufgaben im Blick hat und sie verteilt. Wie Cammarata selbst schreibt, sollte über Gedankenarbeit aber auch in Beziehungen ohne Kinder gesprochen werden und ebenso in allen Gruppen, in denen noch keine Bestandsaufnahme über die Aufgaben gemacht worden ist, die keine klare Zuständigkeit haben. In Arbeitskontexten sind das oft Dinge, die zu einem guten Betriebsklima beitragen und für die Wertschätzung Einzelner wichtig sein können, zum Beispiel Geburtstagsgeschenke. Als ein Freund von mir, der kürzlich Vater geworden ist, erzählte, dass er von seinem Team weder Glückwünsche noch Blumen bekam, fand ich das für ihn zwar bedauerlich, war aber auch nicht wirklich überrascht: Denn in Teams, in denen vorrangig cis Männer arbeiten, wird an diese Dinge, die eben nicht zum tatsächlichen Aufgabenspektrum der Erwerbsarbeit gehören, seltener gedacht. Was die so genannte emotionale Arbeit betrifft, sind die Geschlechter noch immer sehr unterschiedlich sozialisiert.

Die Vorweihnachtszeit ist die Hochsaison der Gedankenarbeit. In der Zeit, in der es besonders besinnlich sein soll, muss paradoxerweise an ungleich mehr gedacht werden, damit es dann gemütlich werden kann. Als ich auf Instagram in diesem Jahr die ersten selbstgebundenen Adventskränze sah, fühlte ich mich schon beim Gedanken daran erschöpft. In den vergangenen Jahren habe ich das eigentlich gern getan, dieses Mal musste ich feststellen, dass meine mentale To-Do-Liste nun jedes Mal abstürzte, wenn ich noch etwas zusätzlich aufnehmen wollte. Die Corona-Gedankenarbeit ließ keinen Platz mehr für Weihnachtsgedanken.

Soziale Netzwerke machen es uns manchmal leichter und manchmal schwerer: Sie haben es möglich gemacht, dass Eltern mehr miteinander über ihre Belastungen sprechen und Gedankenarbeit endlich benennen können. Die Art aber, wie Familie auch über Blogs, Instagram und Youtube inszeniert wird, erhöht die Anforderungen an Elternschaft und kann Aufgaben auf die mentale To-Do-Liste schieben, von denen man ohne das Internet vielleicht nie gehört hätte. Ich habe vor einigen Tagen so genannte Wichteltürchen entdeckt, die in einigen Familien zur Weihnachtsdekoration gehören und ein Brauch aus Dänemark sind. Dabei handelt es sich um ein angeklebtes Türchen an der Wand, das den Kindern suggerieren soll, es sei ein Weihnachtswichtel eingezogen. Mein erster Gedanke dazu war: »Krass, woher haben die Eltern die Zeit dafür?«, gleich gefolgt von: »Wie niedlich, warum haben wir das nicht?«. Als ich aus Neugierde bei Amazon suchte, ob es die Türchen als vorgefertigtes Set gibt, tauchte in den Suchergebnissen ein gesponserter Link zu einem anderen Buch über »Mental Load« auf. Subtitel: »Starke Mütter brauchen auch mal Pause«. Ich musste lachen und schloss das Tab.

In einigen Milieus ist das »being busy«, das ständige Beschäftigtsein, zu einer Art Statussymbol geworden

Soziolog*innen, die sich mit der so genannten Beschleunigungsgesellschaft befassen, gehen davon aus, dass die wahrgenommene Zeitnot, die Menschen beschreiben, unter anderem mit der wachsenden Menge der Möglichkeiten zu tun hat, mit der wir unser Leben theoretisch füllen könnten. Wir können endlos viele schöne Dinge für unsere Kinder organisieren. Aber müssen wir das auch? Man könnte also von einem Priorisierungsproblem sprechen: Statt sich bewusst für eine Tätigkeit und gegen eine andere zu entscheiden, versuchen einige Menschen, möglichst viel davon in ihre Woche zu quetschen, und wundern sich dann, dass ihr Alltag stressig wird.

Dieses Verhalten hängt allerdings auch mit sozialen Normen zusammen. Zum einen ist in einigen Milieus das »being busy«, das ständige Beschäftigtsein, zu einer Art Statussymbol geworden, zum anderen wird moderne Elternschaft nicht nur in sozialen Medien, sondern auch gegenüber Freund*innen und der Verwandtschaft performt. In der digitalen Welt, die schöne Bilder mehr belohnt als authentisches Chaos, bekommen so ausgewählte Ausschnitte, die nur das halbe Leben sowie die höchsten Standards zeigen, die meiste Reichweite. Zwar bemühen sich immer wieder auch Eltern im Netz zu zeigen, dass sie nicht perfekt sind, sie unordentliche Wohnungen haben und Adventskalender kaufen, statt zu basteln, die Fotos von sauber und fantasievoll dekorierten Wohnungen bleiben jedoch wirkungsvoll. Die US-Journalistin Brigid Schulte schreibt in ihrem Buch »Overwhelmed«, dass gut ausgebildete »Stay-at-home-Moms« das Muttersein zu einer Profession gemacht hätten, während »Working Moms« ihre Schuldgefühle darüber, weniger zuhause zu sein, dadurch überkompensieren würden, dass sie sich für Haus und Kinder verausgaben. Beide, meint Schulte, würden versuchen, die andere zu übertreffen, oder zumindest mitzuhalten. Man könnte auch sagen: Die moderne Welt hat ein Monster geschaffen. Eines, das Mütter bei lebendigem Leib frisst, während sie dabei das Ungeheuer noch mit Glitzerkugeln schmücken und niemals aufhören zu lächeln.

Warum aber verausgaben Eltern sich heute so? Patricia Cammarata erklärt die hohen Ansprüche, die Mütter an sich selbst stellen und dann beispielsweise bombastische Kindergeburtstage organisieren, mit fehlender Wertschätzung: »Wir machen das, weil der ganze fucking Mental Load, die Aufgaben, die Strapazen der Baby- und Kleinkinderzeit endlich einmal gelobt und gehuldigt werden müssen.« Die Likes, die das Zurschaustellen der Fürsorge auf Instagram bekomme, seien für Mütter eine »stellvertretende Anerkennung«, weil sie diese weder von der Gesellschaft noch aus ihrem Umfeld bekommen würden.

Die britische Soziologin Ann Oakley hat mit ihrer Pionierarbeit »Soziologie der Hausarbeit« schon 1974 eine Studie vorgelegt, in der sie analysierte, wie Hausfrauen sich für ihre Hausarbeit belohnten, weil es sonst niemand tat. Die Eigenheit von Hausarbeit sei es, meinte Oakley, dass Hausfrauen ihre eigene Chefin seien und sich Selbstbelohnung organisieren müssten. Dafür würden sie Maßstäbe und Routinen einführen, die eingehalten werden müssen, die Frauen würden dann jedoch die Anforderungen an ihre Arbeit mit der Zeit immer höher setzen, damit der psychologische Belohnungseffekt eintrete. Die britische Autorin Jacinta Nandi schreibt in ihrem Buch »Die schlechteste Hausfrau der Welt«, das fast 50 Jahre nach Oakleys Studie erschienen ist: »Ich versuche immer noch, mir das Putzen interessanter zu machen. Manchmal tue ich so, als ob ich in einer Gameshow wäre und innerhalb von 20 Minuten das gesamte Badezimmer fertigkriegen muss – dann gewinne ich eine Million Euro! Manchmal tue ich so, als wäre ich bei einer Reality-TV-Show, und die heutige Challenge ist Putzen. Manchmal tue ich so, als wäre ich eine Instagram-Mommy, und nehme einfach ein neues Video auf. Before and after! Tadaaaaaaa! Nur einfach putzen, weil saubergemacht werden muss – wer macht so was? Welche Psychopathen schaffen so was?« Vielleicht macht es die Eintönigkeit von Hausarbeit auch unmöglich, einfach abzuschalten und am Abend nichts mehr zu tun, weil der Kopf danach noch etwas braucht.

Ann Oakley lieferte in ihrer Untersuchung außerdem ein Erklärungsmuster dafür, warum es mehrheitlich Frauen sind, die die Gedankenarbeit in einer Beziehung schultern und warum dieser Männern eher fremd ist. Es sei die geschlechtsspezifische Sozialisation von Mädchen, die zu einer hohen Identifikation mit der häuslichen Rolle führe. Denn kleine Mädchen ahmen häufig ihre Mütter nach und verinnerlichen außerdem an weiteren Lernorten, dass Weiblichkeit und Häuslichkeit miteinander verknüpft seien – Kinderbücher, Serien und Arbeitsblätter in der Schule sind nach wie vor voll davon. Ein »angemessenes geschlechtsspezifisches Rollenverhalten«, meinte Oakley, umfasse zudem, die Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern zu akzeptieren und schließlich einzufordern. Dass Menschen sich in ihrer Geschlechtsidentität dann besonders sicher fühlen, wenn sie sich von einer anderen abgrenzen, erklärt auch die Phänomene, dass berufstätige Mütter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen als Väter, die im gleichen Umfang arbeiten, dass es für Frauen emotionale Konflikte bedeuten kann, wenn sie mehr verdienen als ihre Partner, und dass ältere Frauen, die später in Rente gehen als ihr Mann, die Hausarbeit wieder an sich reißen. Ja, so stark ist Sozialisierung. So wichtig ist es für Menschen, ihre Zugehörigkeit zu einem Geschlecht durch Verhalten immer wieder unter Beweis zu stellen. Unsere sexistische Sozialisierung hält uns also effektiv davon ab, frei zu entscheiden, was wir tun möchten. Es ist Mädchen nicht angeboren, sich für kleine Küchen und Puppen zu interessieren, sie lernen lediglich von klein auf, dass dieses Verhalten sie zur Frau macht.

Es ist übrigens wirklich nicht so, dass die Vermeidung von Rollenkonflikten und traditionelle Geschlechterrollen Menschen glücklich machen würden. Die von Ann Oakley Anfang der Siebzigerjahre befragten Hausfrauen sahen die Hausarbeit zwar als ihre Pflicht an und stellten nicht in Frage, dass es sich um eine weibliche Aufgabe handele, allerdings äußerten 70 Prozent dieser Frauen, mit ihrer Rolle unzufrieden zu sein. Statt aber die Frage zu stellen, ob diese Art der Arbeitsteilung gerecht sei und ob es nicht anders ginge, wählten die Frauen den Weg, ihre Selbstbelohnung durch noch mehr Arbeit und noch mehr Perfektion zu steigern. Was sich hier zeigt, ist eine tiefe Verunsicherung darüber, wie Frauen für sich selbst Anerkennung organisieren können – woran sich die Frage anschließt: Gibt es aktuell überhaupt ein Lebensmodell für Frauen, das volle gesellschaftliche Wertschätzung erfährt?

Solange es diese Lebensmodelle nicht gibt, bleibt die weibliche Identität mit Selbstausbeutung und Selbstoptimierung verknüpft. Der verinnerlichte Druck, immer besser, ordentlicher, makelloser zu werden, ist Bestandteil der gesellschaftlichen Konstruktion von Weiblichkeit. Daher laufen auch Appelle an Mütter heute, doch einfach weniger zu machen und die eigenen Ansprüche zu senken, häufig ins Leere. Ann Oakley beschrieb es eindrucksvoll so: »Die Unterdrückung der Frau ist nicht etwas, das wie ein Regenmantel abgelegt werden kann, sobald sich das Wetter ändert. Sie ist wie ein inneres Geschwür, das mühsam ans Tageslicht gebracht und zerstört werden muss.«

Daher ist es bei der Gedankenarbeit auch nicht damit getan, sie einfach mit dem Partner zu teilen. Klar kann man absprechen, wer fortan an die Geburtstage denkt und neue Schuhe kauft, aber über Jahre gewachsene Denkmuster schneidet man nicht mal eben in der Mitte durch. Wenn Erwachsene heute ratlos vor dem Problem der ungleichen Ausprägung des häuslichen Mental-Loads stehen, müssen sie sich bewusst machen, dass sie in der Regel nicht geschlechterneutral erzogen wurden, sondern gelernt haben, wie sie sich geschlechterkonform verhalten. Dass es in der heutigen Erwachsenengeneration immer noch überwiegend die als Frauen sozialisierten Menschen sind, die gar nicht anders können, als an alles denken zu wollen, und es den als Männern sozialisierten Menschen viel leichter fällt, das nicht zu tun, sollte niemanden überraschen.

Nur weil wir Gleichberechtigung gut finden, schütteln wir damit nicht drei oder vier Jahrzehnte geschlechtsspezifische Sozialisation ab. Sich das zu vergegenwärtigen hilft dabei, den Groll oder das Unverständnis gegenüber dem Partner oder der Partnerin zu mildern und nicht daran zu verzweifeln, dass bestimmte Verhaltensweisen so schwer abzulegen sind. Der Abschied von der Gedankenarbeit wird leider dauern, denn sie wird unter anderem aufrechterhalten durch den Hunger nach Anerkennung. Wenn man gerade nicht glücklich ist, beginnt man vielleicht, die Wohnung zu putzen, um sich selbst mit einem glänzenden Fußboden zu belohnen, oder man postet ein Bild der hübschen Adventsdeko auf Instagram, um digital ein wenig gestreichelt zu werden. Auf Dauer ersetzt das aber nicht, wonach man sich eigentlich sehnt: Zuneigung und aufrichtige Wertschätzung, ein echtes Interesse von anderen, wie es einem geht. Ich bezweifle, dass wir Wege finden werden, Hausarbeit so anzuerkennen, dass sie die emotionalen Bedürfnisse der Menschen erfüllt, die sie unbezahlt leisten. Die meisten Aufgaben, die unter Hausarbeit fallen, bleiben eintönig und lästig. Da hilft kein Haushaltslohn, keine Pralinen, kein Staubsaugroboter.

Selbst wenn die Verantwortung für Familienaufgaben geteilt wird, kann die Gedankenarbeit fortexistieren, weil das innere Vorbild, das Frauen unbewusst erreichen wollen, die perfekte Hausfrau, Mutter, begehrenswerte Liebhaberin und Karrierefrau gleichzeitig sind. Viele Frauen müssen diese innere Überfrau mühsam von ihrem Selbstbild lösen. Dafür müssen sie ein neues Verständnis davon entwickeln, was Frausein für sie bedeuten soll. Könnten Sie auf Anhieb sagen, was es für Sie bedeutet, eine gute Mutter, ein guter Vater zu sein? Es ist leichter, sich mit anderen zu vergleichen und dabei zu sehen, was man schlechter, besser, anders macht, als klar für sich zu umreißen, was das eigene Ideal ist und weshalb. Eltern brauchen eigene Normen dafür, wann sie mit sich selbst zufrieden sein können. Wir brauchen Orte und Praktiken, diese neuen, eigenen Rollenbilder zu entwickeln.

Als Gesellschaft sollten wir uns außerdem damit auseinandersetzen, dass die fehlende Anerkennung von dem, was Frauen zuhause leisten, sie unglücklich und manchmal auch krank macht. Dass Elternschaft die Gesundheit gefährden kann und dies außerdem eine geschlechtsspezifische Dimension hat, macht es zu einem politischen Thema. Zu der feministischen Antwort darauf gehört, dass die Verflechtung von weiblicher Identität und Selbstausbeutung aufgelöst werden muss. Dafür müssen wir bei unseren Kindern den Grundstein legen, damit sie diese Arbeit nicht mühevoll als Erwachsene leisten müssen. Es sollte Ziel von allen Eltern sein, dass ihre Kinder nicht in die gleichen Geschlechterfallen tappen wie sie selbst. Freizeitforscher*innen haben nachgewiesen, dass Töchter vor allem von ihren Müttern lernen, wie sie freie Zeit verbringen. Wer sich also für die eigenen Töchter wünscht, dass sie es als erwachsene Frauen für selbstverständlich halten, Pausen zu machen und Zeit für sich selbst zu haben, sollte ihnen das unbedingt vorleben. Für das spätere Leben von Mädchen könnte es durchaus wertvoller sein, dass sie mitbekommen haben, dass Mama Dinge allein unternimmt oder sich entspannt, während Papa die Küche aufräumt, als dass sie dabei zugesehen haben, wie ihre Mütter all ihre Zeit investiert haben, um tadellose Kindheiten und glänzende Wohnungen zu gestalten.

Eines sollten wir jedoch nicht tun, wenn wir ermöglichen wollen, dass Rollenbilder vielfältiger werden: Uns lustig machen oder moralisch erheben über Frauen, die in Vollzeit Mutter und Hausfrau sind und in dieser Rolle versuchen, das Beste daraus zu machen. Ann Oakley schrieb: »Etwas lächerlich zu machen heißt aber, es herunterzuspielen. Wichtiger dagegen wäre ein ernsthafter Versuch, den Kern der weiblichen Zwangslage aufzudecken und gründlich zu untersuchen, was nichts anderes heißt, als das Bedürfnis, Hausfrau zu sein, zu hinterfragen.« Warum entscheiden sich nach wie vor so viele Frauen dafür, den Großteil der Hausarbeit zu machen, obwohl es ihnen keine Freude bereitet und es ihnen niemand dankt? Es gibt andere Wege, wenn man mit Kindern oder in Liebesbeziehungen leben will, als dafür die Selbstausbeutung in Kauf zu nehmen. Welche Formen der Anerkennung würde uns wirklich Sicherheit in der eigenen Rolle geben? Darüber sollten wir unsere Gedanken machen. Diese Gedankenarbeit lohnt sich, denn sie ist eine Voraussetzung dafür, die verinnerlichte Unterdrückung zu verlassen und frei zu leben.