Auf der Ostseite, kurz vor dem Weg zum Bismarckturm,
haben sie die Bäume gefällt, vier mächtige Buchen,
alle älter und weiser und schöner als die neuen Mitbürger,
die sich eine Achse und freie Aussicht gewünscht haben.
Wenn sie schon die horrenden Preise zahlen mussten,
dann wollen sie auch sehen, wie die pummelige Tochter
auf ihrem Pony zum Turm reitet, wo die Buben warten,
die keine Lust haben, die Höfe der Eltern zu übernehmen.
Die Sägespäne hat man als helle Kränze liegen gelassen,
und die Stümpfe, die aus der aufgekratzten Erde ragen,
sehen aus wie die Kronen von drei versunkenen Königen.
Die Erde am Hang ist trocken und nicht sehr dunkel.
Auf dem Weg zum Turm sah man gelegentlich einen Fuchs
in der Dämmerung, der wie ein Dieb ums Dorf schlich,
aber seit die letzten fünf Hühner hinter Stacheldraht
verschwanden, ist er zurück in den Wald gezogen,
wo er hin und wieder einen alten Vogel erwischt.
Der Adler auf dem Bismarckturm schaut ungerührt zu,
wie sich das Dorf verändert. Er weiß natürlich genau,
für was sich die Buben interessieren, wir wissen es nicht.
Wir wissen nur, dass sie den Laden verkaufen, wenn
die Eltern unter der Erde sind. Einen Friedhof gibt es
nicht im Dorf, aber man kann die Asche verstreuen.
Im Wald, im Holzhaus (2)
Der Schriftsteller Michael Krüger begann die Therapie gegen seine Leukämie gerade, als der Coronavirus sich verbreitete. Für das SZ-Magazin schreibt er Gedichte aus der Quarantäne. Folge 2: Blick aus meinem Fenster.