Er halte nichts davon, wenn 85-Jährige auf Staatskosten noch ein künstliches Hüftgelenk bekämen, sagte der CDU-Politiker Philipp Mißfelder vor einigen Jahren. Seitdem schwelt auch der me-dizinische Generationenkonflikt: der Streit um die Frage, wie viel die Jungen noch zahlen sollen für die gebrechlichen Alten. Hätten sich die Politiker einmal in der Wissenschaft kundig gemacht, wäre die Debatte schnell erledigt. Denn auch die meisten Jungen haben, wenn sie ins Berufsleben einsteigen, ihren Zenit längst überschritten. Mißfelder etwa, inzwischen 33, muss damit leben, dass er seit gut zehn Jahren schrumpft. Die maximale Körpergröße erreicht der Mensch vor dem 20. Geburtstag, danach geht es bergab. Das gilt ebenso für die meisten Organe und Körperfunktionen. Stoppen lässt sich der Verfall nicht: Ob Herz, Nieren, Nase oder Augen – das Optimum ist in den späten Teenagerjahren erreicht. Nur Gehirn und Sexualtrieb funktionieren bis ins hohe Alter tadellos. Was sich die Natur wohl dabei gedacht hat?
WENIGER DURCHBLICK
ab 15
Zwar nimmt die Augenlinse zeitlebens an Masse und Volumen zu, mit 70 Jahren ist sie dreimal so schwer wie bei Neugeborenen. Doch bereits ab 15 lässt die Elastizität der Linse nach. Mitte 40 kommt es zu einem weiteren Abbau: Es wird immer schwieriger, auf das Naheliegende scharf zu stellen. Endstation: Lesebrille.
SCHNARCHNASE
ab 25
Schleimhaut und Bindegewebe der Nase werden ab dem 25. Lebensjahr dünner, die Durchblutung nimmt ab. Eine Folge: Im Alter von 60 Jahren schnarchen etwa 60 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen.
ZWEITER STIMMBRUCH
ab 60
Im Alter degenerieren die Stimmlippen. Bei Frauen führt das dazu, dass ihre Stimme tiefer klingt.
PORÖSER FILTER
ab 30
Die Filterleistung der Niere erreicht schon ab drei Jahren das Maximum, ihre Durchblutung ab acht. Bei zwei von drei Erwachsenen sinken beide Werte mit Ende 20, Filterkörperchen verkümmern und Nierenkanäle sterben ab: Medikamente werden langsamer abgebaut, es kann leichter zur Überdosierung kommen. Immerhin: Bei jedem Dritten verschlechtert sich auch im Alter die Nierenleistung nicht.
MUSKELSCHWUND
ab Mitte 30
Mit zunehmendem Alter schrumpfen Zahl und Größe der Muskelzellen im Körper, erst langsam, ab dem 50. Lebensjahr dann deutlich. Das liegt nicht nur an mangelnder Bewegung, sondern auch daran, dass die motorischen Nervenbahnen verkümmern. Die verbliebenen noch intakten Nerven müssen dann größere Muskelbereiche stimulieren, weshalb sich im Alter auch die Feinmotorik verschlechtert.
Herz im Stress
HERZ IM STRESS
ab 30
Arterien werden im Lauf der Zeit steifer, ihre Wände dicker. Das erhöht ab 30 den Blutdruck, das Herz muss stärker pumpen. Die maximale Herzfrequenz unter Belastung sinkt, der Puls eines 80-Jährigen schlägt höchstens noch 160 Mal pro Minute. Ein 20-Jähriger bringt es locker auf 200 Schläge.
ZUNEHMEND DÜNNHÄUTIG
ab 30
Die Haut ist im Alter um 20 Prozent dünner. Die Zahl der Melanozyten und Langerhans-Zellen sinkt, UV-Schutz und Immunabwehr nehmen damit ab. Auch der Tastsinn lässt nach, 90-Jährige haben 30 Prozent weniger Tastkörperchen unter der Haut als 20-Jährige.
GEISTREICH
bis ins hohe Alter
Das Gehirn des Menschen schrumpft zwar erst ab 65, aber schon vorher reagiert es mit zunehmendem Alter langsamer und braucht länger, um eintreffende Nervenimpulse zu verarbeiten. Die gute Nachricht: Hohes Alter beeinträchtigt zumindest nicht die Intelligenz.
ATEMLOS
ab 35
Am besten arbeitet die Lunge bei Frauen zwischen 20 und 35, bei Männern zwischen 25 und 35. Danach sinkt die sogenannte Ein-/Ausatemkapazität und damit das Lungenvolumen: Es ist mit 65 Jahren um 22 Prozent geringer als bei einem 20-Jährigen. Damit kann nicht mehr so viel Sauerstoff aufgenommen werden, was etwa die Fähigkeit zu sportlichen Höchstleistungen einschränkt.
WENISGTENS DAS
Sex geht immer
Bei Frauen sinkt das Gewicht der Eierstöcke ab 30, bei Männern der Testosteronspiegel ab 25. Die Folge: Bei beiden Geschlechtern lässt die Fruchtbarkeit nach. Immerhin gibt es, wie ein Standardlehrbuch der Physiologie tröstend anmerkt, keinen »biologischen Endpunkt für sexuelles Interesse«.
Illustrationen: Martin Nicolausson