SZ-Magazin: Sie erforschen seit Jahrzehnten psychische Krankheiten und behandeln Patienten mit Medikamenten wie Ritalin und Modafinil, die das Bewusstsein verändern. Wann wurde Ihnen klar, dass zunehmend auch Gesunde Psychopharmaka schlucken?
Barbara Sahakian: So richtig bewusst wurde mir das bei einem Treffen von Neuropsychiatern in Florida vor einigen Jahren. Mein Vortrag war für den Nachmittag angesetzt. Ich beschwerte mich, weil ich aus London angereist war und einen Jetlag hatte. Also bat ich um einen Termin am Vormittag. Ein Kollege bot mir stattdessen eine Modafinil-Tablette an. Ich sah ihn überrascht an. Er meinte, er nehme das immer, wenn er Jetlag habe. Sofort fragte ich mich, ob die anderen Kollegen wohl auch solche Substanzen nähmen.
Bekamen Sie eine Antwort?
Ja, während der Kaffeepause fragte ich reihum. Einer nach dem anderen gab zu, dass er zur Steigerung der geistigen Leistung Tabletten schlucke: Amphetamine, Methylphenidat, also Ritalin. Oder Modafinil, eine Substanz gegen plötzliche Schlafanfälle, die bereits an Kampfpiloten des US-Militärs getestet wurde, um ihre Konzentration auf langen Einsätzen zu verbessern.
Wird Ritalin nicht eher verschrieben, um hyperaktive Kinder ruhig zu stellen?
Ritalin bewirkt, dass sich Patienten nicht mehr so impulsiv verhalten, hat also eine hemmende Wirkung. Es stimuliert aber auch gewisse Regionen des Gehirns. Patienten sind dann wacher und besser in der Lage, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren.
Inzwischen haben mehrere Untersuchungen belegt, dass Psychopharmaka in der gesunden Bevölkerung weit verbreitet sind. Umfragen unter Studenten weltweit ergaben, dass bis zu zwanzig Prozent stimulierende Mittel nutzen, um Stress zu bewältigen. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Zweifellos. Studenten sind nur eine Gruppe. Nach einem Vortrag kam kürzlich eine Frau auf mich zu, die in einem Medizinlabor arbeitet, und erzählte: Der Labordirektor nimmt Modafinil, die Mitarbeiter nehmen es. Und in Zukunft wird es so sein, dass es zwei Sorten von Menschen gibt: diejenigen, die es nehmen, und den Rest. Das mag übertrieben klingen, aber mein Eindruck ist, dass immer mehr Menschen solche Medikamente nehmen. Deshalb halte ich eine öffentliche Diskussion für überfällig.
Lassen Sie uns doch bei den Menschen beginnen, für die Psychopharmaka ursprünglich vorgesehen waren. Auch hier hat die Anzahl der Verschreibungen ja massiv zugenommen. Warum?
Lange Zeit wurde bei der Behandlung psychisch Kranker ein Aspekt vernachlässigt: der Verlust von kognitiven Funktionen, etwa die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und zu verarbeiten. Für viele bedeutet die Diagnose Schizophrenie oder Depression, dass sie in einer Einrichtung verschwinden und für lange Zeit am Arbeitsplatz ausfallen. Und wenn sie wieder zurückkehren, haben sie große Schwierigkeiten, mit den kognitiven Anforderungen ihrer Arbeit fertigzuwerden. Das
kostet nicht nur die Wirtschaft viel Geld, sondern schmälert auch das Wohlbefinden der Betroffenen. Deshalb habe ich immer versucht, bei der Therapie psychisch Kranker auch deren kognitive Fähigkeiten zu verbessern. Dabei sind Mittel wie Ritalin oder Modafinil durchaus hilfreich.
Ist der wirtschaftliche Effekt nicht nebensächlich, wenn es um die Heilung Kranker geht?
Ich halte es für extrem wichtig, dass die Betroffenen zur Arbeit gehen können und sich natürlich auch um ihre Kinder kümmern. Dass sie also im Alltag funktionieren. Das ist wichtig für die Umgebung dieser Menschen, aber auch für ihr Selbstwertgefühl.
Sie haben sich in diesem Zusammenhang mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Mensch Entscheidungen trifft. Warum interessiert Sie das?
Weil Entscheidungen ein so integraler Bestandteil unseres Lebens sind, wir fällen jeden Tag Hunderte, bewusst oder unbewusst. Gerade Menschen, die unter Depression leiden oder einer Manie, fühlen sich aber bereits mit einfachsten Entscheidungen überfordert. Deshalb haben viele von ihnen so große Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen.
Woher rühren diese Schwierigkeiten?
Wir lernen gerade, das zu verstehen. Dabei haben wir die Entscheidungen in zwei Kategorien eingeteilt: kalte und heiße Entscheidungen. Unter kalten Entscheidungen verstehe ich einfache Fragen, die sich rational beantworten lassen, etwa: Es regnet – soll ich trotzdem mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren oder lieber mit dem Bus? Bei den heißen Entscheidungen geht es um grundsätzlichere Dinge, Intuition und Gefühle spielen eine wichtige Rolle: Soll ich meinen Partner heiraten? Ist es an der Zeit, den Job zu wechseln?
Inwiefern hilft Ihnen diese Unterscheidung bei der Forschung weiter?
Studien haben ergeben, dass Patienten mit Schäden im dorsolateralen präfrontalen Kortex, einer Region an der Stirnseite des Gehirns, sehr schlecht bei kalten Entscheidungen sind, aber sehr gut bei heißen Entscheidungen. Bei Patienten mit Schäden im orbitofrontalen Kortex ist es genau umgekehrt. Es scheint also, dass bestimmte Regionen des Hirns für verschiedene Arten von Entscheidungen von elementarer Bedeutung sind.
Wie lässt sich die Qualität einer Entscheidung messen?
Dafür gibt es Computertests. Einen haben wir hier in Cambridge entwickelt: Auf dem Bildschirm werden zehn Hütchen eingeblendet, unter einem befindet sich eine goldene Münze. Die Hütchen sind rot und blau. Mit jeder Runde ändert sich die Verteilung der Farben, mal sind es vier blaue und sechs rote, mal acht blaue und zwei rote. Der Spieler muss wetten, ob sich die Münze unter einem blauen oder roten Hütchen findet. Aus solchen abstrakten Tests lassen sich viele Schlüsse ziehen, etwa, ob ein Spieler zu riskantem Verhalten neigt.
Konnten Sie weitere Unterschiede zwischen psychisch kranken und gesunden Menschen feststellen?
Psychisch Kranke neigen dazu, negatives Feedback überzubewerten und positives auszublenden. Angenommen, ein Vorgesetzter in der Arbeit sagt nach Abschluss eines Projekts: Das hast du sehr gut gemacht, beim nächsten Mal solltest Du vielleicht noch diesen oder jenen Punkt berücksichtigen. Psychisch stabile Menschen würden die Bemerkung als Lob verstehen und den Verbesserungsvorschlag wohlwollend aufnehmen. Ein depressiver Mensch wird eher nur den zweiten Teil des Satzes aufnehmen, und zwar als Kritik an seinem Verhalten.
Wie lässt sich diese unterschiedliche Wahrnehmung nachweisen?
Durch Beobachtungen im Hirnscanner: Bei gesunden Menschen werden in solchen Situationen Teile des Gehirns deaktiviert, etwa die Amygdala. So können wir eher nüchtern mit dem umgehen, was uns andere Menschen entgegenhalten. Im Gehirn von depressiven Menschen funktioniert der Mechanismus nicht, bei ihnen bleibt die Amygdala aktiv, sie werden von ihren Gefühlen überwältigt.
Beeinflusst das auch ihre Entscheidungen?
Wer alle Einflüsse von außen nur als negativ wahrnimmt, ist auch bei seinen Entscheidungen beeinträchtigt. Diese Störung könnte sogar dafür verantwortlich sein, dass depressive Menschen im Schnitt mehr Selbstmordversuche unternehmen. Deswegen interessiert uns Forscher die Chemie des Gehirns: wie sie sich in verschiedenen Lebenssituationen verändert und wie wir sie – bei psychisch kranken Menschen – mit Medikamenten verändern können.
Beschäftigen Sie sich auch mit der rasant wachsenden Zahl von Alzheimer-Patienten?
Natürlich. Leider erhalten viele die Diagnose erst, wenn wesentliche Hirnfunktionen schon gestört sind: Sprache, Problemlösung, Gedächtnis. Das bedeutet: Wichtige Teile und Verbindungen des Gehirns sind bereits geschädigt, dann wirken auch keine Medikamente mehr. Deshalb versuchen wir, Alzheimer-Patienten bereits zu erkennen, wenn sich die ersten Probleme mit dem episodischen Gedächtnis manifestieren.
Welche Probleme meinen Sie?
Na ja, man bekommt zum Beispiel zunehmend Schwierigkeiten, sich zu erinnern, wo man im Parkhaus sein Auto abgestellt hat. Oder man ist
zu Hause permanent auf der Suche nach dem Schlüssel.
»Wenn ich mir etwas von der Pharmaindustrie wünsche, dann sind es Arzneien, die die Zerstörung von Gehirnsubstanz stoppen.«
Barbara Sahakian ist Professorin für Psychiatrie an der englischen Universität Cambridge. Sie erforscht die Vorgänge im Gehirn, die Verhalten und geistige Leistungsfähigkeit von psychisch Kranken beeinträchtigen. Dazu gehört auch die Suche nach Therapien und Medikamenten. In ihrem jüngsten Buch »Bad Moves: How decision making goes wrong, and the ethics of smart drugs« (bisher nur auf Englisch erschienen) widmet sie sich dem Phänomen, dass zunehmend auch Gesunde Psychopharmaka nehmen, um Konzentration und Produktivität zu steigern, was viele ethische Fragen aufwirft. Nicht alle kann und will Sahakian beantworten - die Gesellschaft müsse entscheiden, wie sie mit den neuen Mitteln umgeht.
Und dagegen helfen nur Tabletten?
Nicht nur. Ich wäre froh, wenn sich die Menschen angewöhnen würden, neben der körperlichen auch die geistige Fitness zu trainieren. Teilweise überschneidet sich das ja, Bewegung und Sport sind gut für Körper und Geist. Auch lebenslanges Lernen hält geistig fit. Trotzdem werden wir im Kampf gegen Alzheimer nicht ohne Medikamente auskommen. Wenn ich mir etwas von der Pharmaindustrie wünsche, dann sind es Arzneien, die nicht nur die Symptome lindern, sondern die Zerstörung von Gehirnsubstanz stoppen. Es gibt auch einen ökonomischen Druck: Für Großbritannien wurde berechnet, dass wir den prognostizierten Anstieg der Pflegekosten für die kommenden zwei Jahrzehnte einsparen könnten, wenn die kognitiven Fähigkeiten von Alzheimerpatienten nur um ein Prozent besser wären.
Niemand wird bestreiten, dass Entwicklung und Einsatz solcher Medikamente bei Kranken wünschenswert sind. Aber es gibt große Vorbehalte gegen die Einnahme von Psychopharmaka durch gesunde Menschen. Könnten Sie sich vorstellen, von einem Chirurgenoperiert zu werden, der zuvor Modafinil eingenommen hat?
Das Phänomen, dass Menschen Drogen benutzen, um ihre Aufmerksamkeit zu steigern oder wach zu bleiben, ist nicht so neu. Einige Ärzte rauchen aus diesem Grund, Nikotin hält wach, mit den bekannten Nebenwirkungen. Und noch mehr nehmen Koffein zu sich, sie trinken Kaffee. Eine wichtige Nebenwirkung von Koffein ist der Tremor, die Hände werden zittrig – alles andere als ideal für einen Arzt mit Skalpell in der Hand. Wir haben deshalb Modafinil bei Ärzten getestet, die regelmäßig zu wenig Schlaf bekamen. Die Ergebnisse waren positiv: Sie blieben ruhiger und ausgeglichener, erwiesen sich als flexibler, wenn es Probleme zu lösen galt. Möglicherweise gibt es Berufsgruppen, bei denen es im Interesse aller wäre, wenn sie solche Medikamente zu sich nähmen.
Welche wären das, von den Ärzten abgesehen?
Zum Beispiel Busfahrer, die nachts unterwegs sind. Vor Kurzem erst kam es wieder zu mehreren schrecklichen Busunglücken, bei denen auch Kinder starben, weil der Fahrer eingeschlafen war. Aus Versuchen wissen wir, dass weniger Unfälle passieren, wenn Schichtarbeiter Modafinil einnehmen. Warum nicht auch Busfahrer?
Wäre es nicht sinnvoller, die Arbeitsbelastung in diesen Berufsgruppen zu verringern?
Theoretisch ja, aber so einfach ist das nicht. In England zum Beispiel wurden unlängst
die Arbeitszeiten von jungen Ärzten verkürzt, sodass ihnen mehr Zeit zum Ausruhen und Schlafen bleibt. Das Problem: Trotzdem müssen Ärzte weiter auch nachts arbeiten, also tagsüber schlafen – was vielen schwerfällt. Außerdem lässt sich kaum kontrollieren, ob die Ärzte in dieser zusätzlichen Zeit wirklich schlafen. Oder sich vielleicht mit Freunden treffen. Und ob ihr Schlaf wirklich erholsam ist.
Studenten müssten nicht unbedingt nachts arbeiten, wenn sie sich etwas besser organisieren. Wie erklären Sie sich, dass sie trotzdem diese Mittel zu sich nehmen?
Wir haben im Rahmen einer Studie festgestellt, dass gesunde Menschen, die etwa Modafinil schlucken, ihnen gestellte Aufgaben mit mehr Freude erledigen. Aus den Universitäten höre ich oft, dass sich Studenten mit Medikamenten leichter tun, auf Prüfungen zu lernen oder umfangreiche Arbeiten zu verfassen.
Sollten Studenten nicht fähig sein, sich all das zu erarbeiten, ohne Pillen einzuwerfen?
Ja, aber leider gehen viele lieber den einfachen Weg, so tickt nun einmal unsere Gesellschaft. Ich sehe die Gefahr, dass eine wesentliche Erfahrung verloren geht, wenn es Studenten nicht lernen, für bestimmte Ergebnisse auch hart zu arbeiten.
Braucht es nicht auch monotone Aufgaben, damit man den interessanten Stoff erst schätzen kann?
Ich weiß auch nicht, was es heißt, wenn dieser Kontrast tatsächlich entfällt. Womöglich würde sich alles, was wir machen, gleich und etwas schal anfühlen. Ich halte es übrigens auch für kontraproduktiv, Medikamente zu schlucken, um nachts auf Prüfungen zu lernen: Schließlich dient der Schlaf ja gerade dazu, tagsüber erworbenes Wissen im Hirn zu verfestigen.
Sie haben gesagt: Wenn viele Menschen diese Pillen schlucken, verändert das nicht nur die Menschen, sondern auch unsere Gesellschaft. Eine Horrorvision?
Jedenfalls kein unrealistisches Szenario. Natürlich wäre mir lieber, Menschen würden, wenn überhaupt, Mittel nehmen, um produktiver zu arbeiten – und dann mehr Zeit mit der Familie zu verbringen und die Freizeit zu genießen.
Die Versuchung dieser Medikamente besteht doch darin, dass sie den Menschen das versprechen, was die Leistungsgesellschaft von ihnen fordert: noch mehr zu arbeiten, noch produktiver zu sein.
Ich sehe auch die Gefahr, dass sich viele Menschen in unserer globalisierten Welt einen Vorteil davon versprechen, diese Pillen zu nehmen. Es ist allgemein bekannt, wie wichtig Forschung heute für den Wohlstand eines Landes ist. Irgendwann könnten auch Regierungen auf die Idee kommen: Wenn unsere Forscher diese Mittel nicht nutzen, machen es vielleicht die Chinesen. Aber niemand weiß, ob es je so weit kommen wird. Und was mich etwas beruhigt: Meine Kollegen nehmen solche Mittel in erster Linie nach einer langen Reise oder wenn ein besonders anstrengender Tag bevorsteht. Ihnen geht es also gar nicht darum, mehr zu leisten, sondern auch an einem schlechten Tag das zu leisten, wozu sie sonst imstande sind.
Manche Kritiker halten die Erwartungen an die Psychomittel für weit übertrieben. Zuweilen führten Pillen sogar zu schlechteren Leistungen.
Die Effekte in den bisherigen Studien waren gering bis moderat. Einige Untersuchungen zeigten, dass sich besonders leistungsfähige Teilnehmer etwas verschlechterten, wenn sie Methylphenidat oder Amphetamine nahmen. Das kann aber am Versuchsaufbau liegen. Bei Studien mit Modafinil konnten wir keine Ausschläge nach unten feststellen.
Es gibt kein Medikament ohne Nebenwirkung. Wie gefährlich sind Psychopharmaka für gesunde Menschen?
Das ist für mich das größte Problem: Wir wissen nicht, ob sie langfristig halten, was sie versprechen, und welche Nebenwirkungen bestehen. Hier sind die staatlichen Gesundheitsbehörden gefordert.
Wieso nicht die Hersteller?
Weil ihnen sonst zu Recht unterstellt würde, sie wollten ihre Medikamente an Gesunde verkaufen.
Für Modafinil existieren Schätzungen, wonach neunzig Prozent der Anwendungen nicht dem entsprechen, wofür das Medikament entwickelt wurde. Glauben Sie wirklich, dass die Hersteller darüber besonders unglücklich sind?
Zumindest halten sie sich zurück, ihre Produkte an Gesunde zu vermarkten. Andernfalls haben sie harte Strafen von der staatlichen Gesundheitsaufsicht zu erwarten
Im Internet floriert der Handel mit Psychopharmaka längst.
Deswegen bin ich ja für Tests zur Langzeitwirkung dieser Medikamente. Dann könnten sie legal in den Apotheken verkauft werden. Wer im Internet bestellt, weiß nicht, was er bekommt, wo die Pillen hergestellt wurden, ob sie eventuell giftige Substanzen enthalten. Möglicherweise vertragen sie sich nicht mit anderen Medikamenten, die gerade eingenommen werden. Das ist alles sehr unsicher.
Fest steht, dass Mittel wie Ritalin abhängig machen. Liegt darin nicht eine große Gefahr?
Um das zu verhindern, wird das Mittel Kindern nur in niedrigen Dosen und oral
verabreicht. In Experimenten hat sich gezeigt, dass Methylphenidat einen Gefühlsrausch verursacht, wenn es injiziert oder geschnupft wird wie
Kokain. Erst dadurch entsteht Abhängigkeit.
Suchtexperten sehen in Medikamenten wie Ritalin oder Modafinil ein viel größeres Suchtpotenzial als bei Drogen wie Haschisch. Sie seien nämlich – anders als die Drogen der Hippiegeneration – absolut im Sinne unserer Leistungsgesellschaft.
Man muss differenzieren: Während bei Ritalin die Gefahr der körperlichen Abhängigkeit besteht, gibt es bei Modafinil bisher keine Hinweise. Die Warnung zielt wohl eher auf die psychische Abhängigkeit ab, und das zu Recht: Was passiert, wenn auf einmal die Mehrheit solche Mittel einnimmt? Ist dann womöglich jeder von uns gezwungen, dasselbe zu tun? An amerikanischen Schulen gibt es solche Tendenzen bereits. Eine Psychiaterin erzählte mir, sie werde von Eltern oft gedrängt, ihren Kindern Methylphenidat zu verschreiben, auch wenn sie kaum Anzeichen von Hyperaktivität zeigten. Offensichtlich wollen sie die Erfolgschancen ihrer Kinder in der Schule erhöhen.
Ein deutscher Soziologe hat gesagt: Wenn gesunde Menschen anfangen, Medikamente zu nehmen, die für Kranke bestimmt sind, dann muss die Gesellschaft, in der sie leben, krank sein. Teilen Sie diese Einschätzung?
Der Wunsch, sich selbst zu optimieren und eigene Defizite zu überwinden, scheint tief
in uns verwurzelt zu sein. Wir versuchen, gesünder zu leben, schlucken Vitamine, unterziehen uns Schönheitsoperationen. Deshalb wird es sicher eine große Nachfrage nach Medikamenten geben, die unsere geistige Leistung fördern. Mir graut vor einer Gesellschaft, die Drogen nimmt, um Tag und Nacht zu arbeiten. Ich hoffe eher, dass wir lernen, zu unseren Defiziten zu stehen und die Kreativität auf gesunde Weise zu erlangen. Und uns höchstens mal, wenn sonst nichts hilft, einen Caffè latte vom Straßencafé holen, mit einem Schuss Modafinil.
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