Versteckt in der Öko-Ecke

Hafermilch findet man in deutschen Supermärkten nur dort, wo die meisten Käufer sowieso nicht hinsehen. Warum ihr Aufstieg ins Kühlregal ein wichtiges Symbol wäre.

Foto: Maurizio Di Iorio

Wenn man ein neues Produkt in den Markt einführt, setzt man sich Ziele, an denen man den Erfolg später misst. Verkaufszahlen sind so ein Ziel. Wie dynamisch die Verkaufszahlen steigen. Umsatz, klar. Für Hafermilch, die mit Milch im Grunde überhaupt nichts zu tun hat, diese aber ersetzen will, gibt es noch ein scheinbar gefühliges Ziel: von den Menschen wie Milch behandelt und gesehen zu werden. Das ist witzig, denn im Grunde basiert der Erfolg von Milchersatzgetränken ja darauf, dass sie gerade keine Milch sind. Dass sie mit alledem nicht assoziert werden, mit dem Milch inzwischen von einigen Menschen assoziiert wird: mit unglücklichen Kühen, die Antibiotika bekommen, um auszuhalten, was man mit ihnen macht, damit sie noch mehr Milch geben. Mit Treibhausgasen, die bei der Tierhaltung entstehen, mit eigenen Gasen, die entstehen, weil man keine Laktose verträgt.

Hafermilch will keine Milch sein, aber genauso ernst genommen werden. Und das funktioniert. Allein der Weltmarktführer Oatly hat den Umsatz nach eigenen Angaben von rund 60 Millionen Euro im Jahr 2017 auf etwa 97 Millionen Euro 2018 gesteigert. Man kann den Aufstieg aber auch daran erkennen, wo dieser Getreidedrink steht. In Schweden etwa ist Hafermilch schon am Wahrnehmungsziel angekommen: Sie steht im Kühlregal, neben der Milch, obwohl sie vor allem aus Haferfasern und Wasser besteht, pasteurisiert wurde und gar nicht gekühlt werden muss.

In Deutschland ist es noch nicht so weit, man findet sie oft in den Supermarktgängen in den Ecken mit den Reiswaffeln, bei den veganen Brotaufstrichen oder braunen Mehlen. In den drei Supermärkten, in die ich regelmäßig gehe, stehen sie in dem Gang mit der Säule. Das ist der Weg, den ein Produkt zurücklegen muss: von der Ökoecke in Hocktiefe in die Kühltheke auf Augenhöhe – im Laden, aber auch in der Gesellschaft.

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Und von der Gesellschaft anerkannt zu werden ist ungleich schwieriger, als von Mitarbeitern die paar Meter vom Säulengang ins Kühlregal geräumt zu werden. Denn in diesem hochnervösen Land kommt manchmal leichte Panik auf, wenn sich am Horizont höchst schemenhaft abzeichnet, dass womöglich in vierzig Jahren, also für die meisten nach dem eigenen Ableben, ein neuer Standard etabliert werden könnte. Dann ist Futterfuror. Und es wird angenommen, dass das, was einige Menschen – aka Tugendkonsumisten – nett und höflich auf ihr Supermarktband legen und von ihrem selbst verdienten und versteuerten Geld in ihrer Freizeit kaufen, schon morgen zur Zwangsernährung mutiert.

Um mit seiner Hafermilch gar nicht erst zum Symbol zu werden, bevor man Geld gemacht hat, schaltet Oatly in Deutschland Anzeigen auf Englisch, vor allem in Großstädten und europaweit auf selbstironisch (»If we had hired a food stylist, a photographer and an ad agency, this poster would probably have been more successful«). Ganz so, als wolle man ausschließen, dass diejenigen, die man nicht zur potenziellen Käuferschaft rechnet, das Produkt überhaupt verstehen. Ich finde spalterische Distinktionswerbung unsympathisch, aber das kann man sicher auch lockerer sehen.

Die härteste Kühlschranktür hat übrigens meine Mutter, und die sagte neulich sehr schön zu meiner kleinen Schwes-ter: »Ich habe dir diese Hafermilch gekauft, die du jetzt trinkst. Dein Vater kann sie dir morgen früh auch schäumen. Aber nimm sie bitte mit, wenn du wieder fährst.«