Man sieht ihn einfach nicht vor sich, den Mann, der durch Wodka Red Bull zum Helden wird.
In der Realität kennt man den Wodka-Red-Bull-Mann vom nächtlichen Nachhauseweg entlang der Partymeile, aus dem Flugzeug nach Palma de Mallorca oder wenn er als Hase verkleidet mit seinen Kumpels durch die Innenstadt hoppelt. Und inzwischen natürlich in Person von HC Strache in diesem auf Ibiza aufgenommenen Video. Und immer wieder macht der Wodka-Red-Bull-Mann in diesen Situationen nicht gerade das Beste aus sich.
Wenn man es gut mit ihm meint, könnte man das darauf zurückführen, dass ihm das Vorbild fehlt, dieser eine große, bekannte Mann, der nach einem Wodka Red Bull beschließt, den Klimawandel aufzuhalten. Oder auch nur nicht mehr als Prototyp seines Geschlechts aufzutreten, sondern als der, der er ist; dem Alkohol dabei hilft, das Konzept Männlichkeit abzuschnallen wie einen lästigen Rucksack, der den Karabiner löst und frei klettert. Wodka Red Bull wäre in dieser Saga wirklich ein Flügelverleiher, und es wäre kein bisschen anrüchig, dass sich selbst der mutigste Mann fürs Freimachen ein wenig betäuben muss.
Es könnte ja auch ein Romanheld sein. Leider gehört es zu den traurigen Aspekten einer männlich dominierten Literaturgeschichte, dass wir von keinem erzählen können, der loszieht, um sich todesmutig aller Dogmen seines Geschlechts zu entledigen. Und der dann befreit und schamlos zurückkehrt, um eine strenge Frau zu erobern. Findung und Verführung statt Irrungen und Wirrungen.
Na ja.
In der Realität ist alles sehr viel fantasieloser. Und dieses Getränk scheint die gedankliche Bräsigkeit noch zu fördern. Wodka Red Bull ist ein Beschleuniger, reingekippte Rage. Auch den prominentesten Konsumenten, dem ehemaligen österreichischen Vizekanzler Strache und seinem Parteikollegen Johann Gudenus, hätte man doch am liebsten zugerufen, sie mögen sehen, dass sie rauskommen aus diesem Raum ohne Bilder, weg von diesen abwaschbaren Sesseln, den angeklebten Lichtschaltern und leeren Vitrinen. Raus aus dieser ikonografischen Tristesse des Videos, in der jedes Standbild aussieht wie die Ausgangsszene eines Sexfilmchen. Geht mal Wasser trinken und euch selbst befreien aus diesem Zustand zappeliger Selbstberauschtheit.
Womöglich war dieses Video der letzte fehlende Beweis dafür, dass es nur einen einzigen angemessenen Umgang mit Wodka Red Bull gibt: Man zappelt ihn in der Disco parallel zum Trinken wieder raus. Und sei es zu den Venga Boys.
Wer ihn aber im Sitzen trinkt, der beginnt sitzend zu stolpern. Über seine Wörter, seine Sätze, seine Gedanken. Man wird unvorsichtiger, rastloser und gefühlt glorreicher – bei gleichbleibender Intelligenz. Es kommen keine neuen Ideen hinzu, man ist nur länger wach und kann das Gleiche öfter und schneller sagen.
Wer mal in das Gesicht einer weißweinbeduselten Person geschaut hat, weiß: Wein macht sanft, entspannt, Falten verschwinden, Sätze werden wuchtiger, weil jedes Wort sich Zeit nimmt. Wein hetzt nicht, Wein atmet. Wodka Red Bull wird nicht ohne Grund zu Wodka Bull abgekürzt. Es ist ein Ritt auf Alkohol. Der Wiener Rapper Raf Camora formulierte es so: »Gedanken gleich null / Trink Wodka Red Bull / Muss wach bleiben / Verloren hat der, der schläft«. Inhaltsloses Immer-noch-wach-Sein als Dominanzgeste. Viele Karabiner, nichts mit Flügeln.