Reif für die Pinsel

Hält man Sie für einen Umweltsünder? Dann machen Sie es einfach wie Daimler, BP oder die Lufthansa: Verpassen Sie sich einen Öko-Anstrich. Eine Anleitung zur Grünfärberei in fünf Schritten.

Methode 1: das Aushängeschild
Schnappen Sie sich einen renommierten Partner, dessen Glanz auf Sie abstrahlt.

Große Autos sind Klimakiller, das dämmert inzwischen selbst der Daimler AG. Doch die Stuttgarter haben auch noch den Smart im Programm, der flugs zum »CO2-Champion« ernannt wurde und Daimler als umweltpolitisches Feigenblatt dient. So gelang im Sommer ein echter Coup: Die Marke Smart stand zusammen mit Al Gore auf der »Live Earth«-Bühne, als offizieller Sponsor des gigantischen Musikevents für den Klimaschutz. Bei acht Konzerten stellte Daimler-Chrysler den Fuhrpark, und das Smart-Logo war prominent auf der »Live Earth«-Website zu sehen. All das ungeachtet der Tatsache, dass Mercedes, die Hauptmarke der Daimler AG, eine verheerende CO2-Bilanz aufweist: Mit einem durchschnittlichen Ausstoß von 192 g / km bei den Neuwagen* lag Mercedes 2006 in Deutschland weit über dem von der EU angestrebten Grenzwert von 130 g / km. Als die Rolle von Daimler ruchbar wurde, stieg Greenpeace Deutschland bei »Live Earth« aus. »Glatte Irreführung« sagte deren Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck über diese smarte Form des Sponsorings. Einen noch angeseheneren Partner fand die Bayer AG: Seit 2004 kooperiert sie mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Mit einer Million Euro im Jahr unterstützt Bayer die Jugendarbeit der Umweltbehörde, ungeachtet der Tatsache, dass der Chemie- und Pharmakonzern weiterhin Pestizide herstellt und wegen seines Engagements für gentechnisch verändertes Saatgut kritisiert wird. All das war vergessen, als die UNEP im August zu ihrer »Internationalen Jugendumweltkonferenz« einlud. Sponsor: Bayer. Ort: das Erholungsheim des Konzerns in Leverkusen. Die Bayer AG bezahlte nicht nur die komplette Veranstaltung, ihr Vorstandsvorsitzender Werner Wenning durfte auch eine Eröffnungsrede halten. Vor den Toren protestierte derweil eine Anti-Bayer-Initiative. »Lobbyisten von Bayer bekämpften in der Vergangenheit sämtliche Anstrengungen zum Umweltschutz«, sagte deren Sprecher. »Die Kooperation mit einem Umweltsünder wie Bayer beschädigt die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen.«

*Berechnung des BUND, nach Daten des Kraftfahrtbundesamtes.

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Methode 2: der Pausenclown
Bringen Sie Ihre Firma – und Ihr Logo – in die Schulen.

Für viele ist McDonald’s ein Symbol für Globalisierung und Wegwerfgesellschaft. Kri-tisiert wird zudem, dass der Konzern seine kalorien- und fettreiche Hauptmahlzeit aus Burger und Pommes mit speziell an Kinder und Jugendliche gerichteten Kampagnen bewirbt. Um sein Image als Verderber der Jugend abzustreifen, hat McDonald’s eine Mappe mit Unterrichtsmaterialien zum Thema Umwelt gesponsert, die Schulen gratis zur Verfügung gestellt wird. Damit dies nicht als Werbebroschüre auffällt, fehlt das Firmen-logo in der Broschüre. Einzig im Impressum ist McDonald’s klein als Herausgeber genannt. Die Mappe soll Schülern der Sekundarstufe 1 Themen wie »Recycling« und »Ressourcen schonen« nahebringen – Probleme, die McDonald’s lange ignorierte.

Der Ölkonzern BP hat einen erstaunlichen Imagewandel hinter sich. Im Jahr 2000 verpasste er sich ein neues Logo – eine gelb-grüne Sonne – und einen neuen Slogan; BP steht nun für »Beyond Petroleum«. So versucht sich BP vom schlechten Image der Mineralölbranche abzugrenzen und als ökologische Musterfirma zu präsentieren. Dazu passt auch die neueste Idee der deutschen BP-Tochter: Seit Kurzem sind dort Unterrichtsmaterialien zum Thema Klimaschutz erhältlich. Das mal Klima & Co und mal Klima & Co2 betitelte Paket behandelt Fragen wie »Woher kommen CO2-Emissionen?« und »Was können wir gegen CO2-Emissionen tun?«; auf den Arbeitsblättern, die sich an Schüler der 8. bis 10. Klasse richten, prangt dabei ungeniert das BP-Logo. Was das Material verschweigt, ist der Beitrag, den BP-Produkte zu klimaschädlichen Emissionen leisten: Im Jahr 2006 hat BP an jedem Tag des Jahres im Schnitt 5,8 Millionen Barrel verarbeiteter Produkte (Benzin, Kerosin etc.) verkauft.

Methode 3: das U-Boot

Unterwandern Sie eine Umweltorganisation. Oder gründen Sie selbst eine.

Das französische Atomkraftwerk Fessenheim, im erdbebengefährdeten Rheingraben nahe der deutschen Grenze gelegen, wird seit den Siebzigern von Bürgerinitiativen bekämpft. Umso erstaunter waren lokale Aktivisten, als die Betreiber des AKWs vor einigen Jahren einen eigenen »Umweltverband« namens »Au fil du Rhin« (dt.: »Am Rhein entlang«) gründeten. Mit Infoständen, Veranstaltungen und Schriftmaterial verbreitet diese Organisation die Botschaft, die Atomkraft sei eine nachhaltige Form der Energiegewinnung, die dazu beitrage, Flora und Fauna des Rheintals zu bewahren. Gleichzeitig versteht sich »Au fil du Rhin« als Dachverband, in dem auch andere Bürgerinitiativen willkommen sind. Anreiz: die gut gefüllte Kriegskasse der Atomlobby. Vor Kurzem verschwand jedoch die Homepage von »Au fil du Rhin« aus dem Netz, und die Ansprechpartner waren plötzlich nicht mehr erreichbar. »Wenn der Verband aufgeben oder sein Konzept ändern würde, wäre das ein Erfolg unserer Arbeit«, sagt Axel Mayer vom etablierten Umweltverband BUND.

Methode 4: Trommelwirbel
Behaupten Sie die dollsten Dinge, wenn Sie Ihre Botschaft in den Medien platzieren.

Der Flugverkehr ist die klimaschädlichste Form der Fortbewegung. Um davon abzulenken, schaltete Airbus eine eindrückliche Anzeigenkampagne: In die Umrisse des neuen Riesenfliegers A380 wurde das Bild eines Delfins oder eines sattgrünen Waldstücks montiert. Unter Überschriften wie »Cleaner« und »Greener« fand sich dann die Behauptung, bei einem Flug mit dem A380 werde pro Person weniger CO2 ausgestoßen als bei einer Fahrt mit dem Familienauto. Aber was sagt dieser Vergleich aus angesichts der Tatsache, dass niemand mit dem Pkw nach Bangkok fahren wird? Auf Langstrecken, für die der A380 konzipiert ist, wird trotz niedlicher Delfinbilder eine enorme Menge CO2 in die Atmosphäre gepustet. »Der Flugverkehr ist zwei- bis zehnmal so klimaschädlich wie der Verkehr auf dem Boden«, resümiert das Climate Action Network Europe, eine in Brüssel ansässige Umweltorganisation.

Der neue A380 tauchte auch in einer großformatigen Anzeige der Lufthansa auf.
Unter der Überschrift »Wir tun viel – für möglichst wenig CO2-Emissionen« warnte Konzernchef Mayrhuber vor »Öko-Populismus«; im Anzeigentext war von der Sparsamkeit der neuen Lufthansa-Flotte die Rede, dabei fielen Schlagworte wie »Erfolge in der Umweltbilanz« und »ökologischer Meilenstein«. Zwar ist es richtig, dass die neuen Jets sparsamer sind als jene vor 15 Jahren. Blickt man jedoch weiter zurück, ändert sich das Bild: Anfang der Fünfziger, vor Beginn des Düsenzeitalters, wurden laut Climate Action Network bereits Flugzeuge konstruiert, die ebenso treibstoffeffizient waren wie moderne Großraumjets.

Um Umweltbewusstsein zu demonstrieren, setzen auch die deutschen Autohersteller auf das bewährteste aller Mittel – schöne Worte. Ein besonders eindrückliches Beispiel gelang dem Volkswagen-Konzern mit der Broschüre Verantwortung übernehmen. Volkswagen und CO2. Das edle, mit Bildern von lachenden Kindern und saftigen Erdbeeren dekorierte Heft steht unter dem Motto »Oberstes Ziel: Die CO2-Emissionen müssen massiv reduziert werden«. Bei Volkswagen selbst passiert jedoch nichts dergleichen, mit 173 g CO2 / km * ist der Schadstoffausstoß für einen Mittelklasse-Hersteller unverhältnismäßig hoch. »Modellpolitik, Werbung und Verkaufsgespräche beim VW-Händler sind weiterhin darauf ausgerichtet, Spritfresser und Tempobolzer an den Mann zu bringen«, sagt Werner Reh, Verkehrsexperte beim BUND. Zwar habe VW gute Ideen, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren, wie das BlueMotion-Antriebskonzept. Nur seien die entsprechenden Modelle zu teuer, als dass sie oft genug gekauft würden. »Der Polo BlueMotion kostet viel mehr mehr als ein normaler Polo«, ärgert sich Reh. »Das ist ein reines Schaufenstermodell.«

*Durchschnittliche CO2-Emission bei den Neuwagen in Deutschland; Berechungen des BUND, nach Daten des Kraftfahrtbundesamtes.

»Was tut Vattenfall für den Klimaschutz?«, fragte der Konzern jüngst in großformatigen Anzeigen. Antwort: eine ganze Menge – wenn man dem Werbetext Glauben schenken möchte. So hieß es dort, Vattenfall unterstütze »bereits mit 300 Millionen Euro Klimaschutzprojekte weltweit«. Eine Aufschlüsselung dieser Summe konnte der Konzern jedoch dem SZ-Magazin bis Redaktionsschluss nicht vorlegen. Als eine ähnliche Anzeige wenige Tage später erneut erschien, fehlte der Hinweis auf die 300 Millionen Euro. In beiden Anzeigen rühmte sich Vattenfall, gerade die »erste Pilotanlage für ein CO2-freies Braunkohlekraftwerk« zu bauen. Die Bezeichnung »CO2-frei« ist allerdings irreführend: Auch in der Testanlage in der Lausitz, von der die Rede ist, würde bei der Verbrennung von Braunkohle natürlich CO2 entstehen. Nur soll dieses nicht in die Luft gepustet, sondern unterirdisch gespeichert werden – eine unter Wissenschaftlern umstrittene Idee, deren Praxistest aussteht. Die kleine Pilotanlage soll im kommenden Jahr in Betrieb gehen; falls die Technik funktioniert, würde Vattenfall bis 2015 eventuell jenes Kraftwerk bauen, das heute bereits beworben wird. Bis dahin verstromt der Konzern weiterhin jede Menge Kohle in herkömmlichen Kraftwerken. Das Fazit Hans-Jürgen Nantkes vom Umweltbundesamt: »Die Industrie hat das Thema vor allem aus Prestigegründen in die Welt gesetzt.«

Ein Meisterstück in Sachen Grünfärberei gelang den Lobbyisten der Atomindustrie: Deren Deutsches Atomforum e. V. ist inzwischen unter www.klimaschuetzer.de erreichbar. Dort sieht man Schäfchen auf einer grünen Wiese; am Horizont wacht ein Atommeiler über dieses Naturidyll. Daneben verbreitet die Atomlobby die Botschaft, Kernenergie sei umweltschonend und schütze das Klima. Tatsächlich handelt es sich bei der Atomkraft laut Aussagen vieler Experten und Umweltinstitute um eine veraltete und sehr teure Form der Energiegewinnung, deren Entsorgungsproblem zudem weiterhin ungelöst und mitnichten »umweltschonend« ist. So geht es bei der momentanen Kampagne der Atomlobby auch nicht um den Bau neuer AKWs, sondern um die Verlängerung der Restlaufzeiten für die bestehenden 17 AKWs in Deutschland. Denn diese sind hochprofitabel: Jeden Tag erwirtschaftet jedes von ihnen im Schnitt eine Million Euro.

Methode 5: der Spatenstich
Pflanzen Sie einen Baum. Und bringen Sie Ihre Kunden dazu, dasselbe zu tun.

Die hohe Schule der PR besteht darin, ein Produkt aus der Welt des Konsums in die höhere Sphäre der Moral zu transportieren. Besonders erfolgreich tat dies vor Jahren die Brauerei Krombacher, die versprach, für jeden verkauften Kasten Bier ein – lächerlich kleines – Stück Regenwald zu retten. Inzwischen kann man mit dem Kauf von Mineralwasser den Brunnenbau in Äthiopien unterstützen und bei Tengelmann im Rahmen einer Aktion des Fernsehsenders ProSieben kleine Bäume erwerben, von deren Kaufpreis wiederum Geld abgezogen und gespendet wird, für weitere Bäume.

Perfektioniert hat diese Idee der Computerhersteller Dell. Kauft man im Onlineshop der Firma einen Rechner, hat man die Option, zu veranlassen, dass ein Baum gepflanzt wird, der den erwarteten CO2-Ausstoß des Geräts kompensieren soll. In den USA läuft diese Aktion schon länger erfolgreich, in Deutschland wurde sie im April dieses Jahres gestartet und ebenfalls gut angenommen. Kein Wunder: Der Setzling kostet nur vier Euro, für einen geringen Betrag kann der Kunde also sein Klima-Gewissen erleichtern – und die Firma steht als Wohltäter da. Um den Imagegewinn noch zu steigern, wurde die Aktion bei Dell inzwischen zur Chefsache gemacht: Zwischen Juni und September hat Firmengründer Michael Dell die Spenden der Kunden auf eigene Kosten verdoppelt. Er wird’s verschmerzen können: Mit einem Vermögen von rund 17 Milliarden Dollar gilt Dell laut Forbes als achtreichster Amerikaner.

Mitarbeit: Hannah Engelmeier und Philipp Kohlhöfer