Oben ohne

Müssen Eltern ein künstlerisch wertvolles Aktbild im Badezimmer abhängen, wenn es der Tochter peinlich ist?

Illustration: Serge Bloch

»Wir sammeln Kunst. Im Bad hängt ein fotorealistisch gemaltes Aktbild. Nicht pornografisch – es zeigt eine Frau mit nacktem Oberkörper. Unsere 15-jährige Tochter verlangt, dass wir es abhängen, da ihr das peinlich sei vor ihren Freundinnen. Wir meinen, dass das zumutbar ist, und erklären ihr auch, warum. Nun sagen Freunde, man müsse die Schamgrenze der Kinder respektieren, und plädieren für Abhängen.« Frank D., Leichlingen

Ich finde, es muss langsam mal wieder aufhören, dieses Terrorregime der Kinder, unter das sich die Erwachsenenwelt duckt. Ja, kann sein, dass es einer 12- bis 15-Jährigen vor ihren Freundinnen peinlich ist, dass im elter­lichen Badezimmer das Gemälde einer nackten Frau hängt, aber jungen Menschen, die in der Pubertät stecken, ist ganz vieles peinlich, das ist sozusagen ihre Natur, wo soll man denn dann aufhören? Was, wenn ihr auch unangenehm ist, überhaupt noch mit ihren Eltern zusammenzuleben, ziehen Sie dann aus? Ich würde es ja verstehen, wenn auf dem Bild etwas Anstößiges wäre, sagen wir, etwas Gewaltverherrlichendes oder meinetwegen was Sexuelles, aber einfach eine Frau mit nacktem Oberkörper? Und das nicht mal im Kartoffelkeller, wo man sich auch als älterer Mensch wundern würde, sondern in einem Raum, der zum gelegent­lichen Nacktsein eigens gebaut wurde.

Das ist Ihr Haus, Sie können sich Kunst an die Wände hängen, wie es Ihnen gefällt, das ist ja das Großartige am Ältersein. Ihre Tochter kann sich später mal in ihr eigenes Bad Bilder von Bäumen hängen. Wäre es nach mir gegangen, hätten meine Eltern in meiner Jugend zum Beispiel niemals erwähnen dürfen, dass irgendjemand sächselt, da ich, die ich keine Ahnung hatte, wie man das schreibt, annahm, es handle sich dabei um eine Umschreibung des Geschlechtsakts. Da saß ich dann also hinten im Familienauto, und vorne unterhielten sich meine Eltern im Plauderton über eine Bekannte von ihnen aus Leipzig, und ich wollte mir beide Ohren zuhalten und erbost schreien, weil ich es eine solche Zumutung fand, wie beiläufig sie hier vor mir über diese Sache sprachen. Nichts gegen Kinder und Jugendliche, aber eine Welt, in der sie sich in allen Einzelheiten durchsetzen, kann niemand wollen.