Ist es in Ordnung, Raser auszubremsen?

Unser Leser fährt auf der linken Spur gern mit der vorgeschriebenen Höchst-Geschwindigkeit – seine Frau plädiert dafür, schnellere Autos vorbeiziehen zu lassen, damit diese in die Radarfalle tappen und der Kommune Geld bringen. Johanna Adorján löst den Konflikt versöhnlich.

Illustration: Serge Bloch

»An der Landshuter Allee gilt aus Gründen des Umweltschutzes eine 30er-Zone auf dem Mittleren Ring in München. Die Straße ist zweispurig. Das Tempolimit wird gegen Anfang und Ende durch zwei fest installierte Blitzer kontrolliert. Ich fahre dort gern mit eingelegtem Tempomat auf der linken Spur mit der vorgegebenen Geschwindigkeit. Nicht selten kommt es dazu, dass ortskundige Schlaumeier von hinten mit Lichthupe und Blinkzeichen versuchen, mich nach rechts zu drängen, um an mir vorbei bis kurz vorm Blitzer mit überhöhter Geschwindigkeit einige Sekunden schneller voranzukommen. Meine Frau und Beifahrerin meint dann: Fahr doch rechts und lass den/die vorbei. Vielleicht gibt’s ja noch eine Radarfalle dazwischen, dann sollen sie ordentlich blechen. Die Stadt braucht das Geld. Ich bin aber der Meinung, dass es sich um aktiven Umweltschutz handelt, wenn ich die Egoisten ausbremse und Schaden verhindere. Wer hat recht?« Martin B., München

Das ist eine sehr gute Frage, und zwar ganz generell: Wie verhält man sich, wenn man sich als Autofahrer an das vorgeschriebene Tempo hält und hinter einem jemand drängelt? Ich kenne es von mir, dass ich schnell nervös werde und den Drängler, den ich auf jeden Fall für ortskundiger und im Zweifel auch für cooler als mich halte, überholen lasse. Sollte das aus irgendeinem Grund nicht möglich sein, fahre ich dann unter Umständen selbst etwas schneller, weil mir die Situation so unangenehm ist. Das ist natürlich falsch. Denn es gibt nun mal Tempo­limits, und sie gelten für alle. Es spricht für Sie, dass Sie in dieser Situation nicht die Nerven verlieren, sondern durchziehen, was Sie für richtig halten. Und es spricht für Ihre Ehe, dass Sie den Einwand Ihrer Frau ernst genug nehmen, sich vergewissern zu wollen, wer denn nun recht hat.

Also: Recht, im Sinne des Rechts, haben Sie. Ein Tempolimit ist kein Vorschlag, sondern rechtlich bindend, wie jeder weiß, der schon mal geblitzt wurde und teures Bußgeld zahlen musste. Und Sie haben auch recht mit Ihrer Auffassung, dass das Einhalten der vorgegeben gemäßigten Geschwindigkeit an der betreffenden Stelle die Umwelt schützt: Seit der Einführung des Tempo­limits im Juni 2024 hat sich die Luftqualität entlang der Landshuter Allee nachweislich verbessert. Der Stickstoffdioxid­gehalt liegt nun unter dem zuvor überschrittenen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.

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Aber: Recht hat auch Ihre Frau. Bisher war die Polizei dort für die Einhaltung des Tempolimits zuständig, und tatsächlich wird auf der 2,5 Kilometer langen Strecke sporadisch auch mobil kontrolliert. Ab dem 1. Januar 2026 wird hier jedoch die Stadt München die Verkehrsüberwachung übernehmen. Das Kreisverwaltungsreferat gab schon bekannt, dass man mit Einnahmen von mehr als einer Million Euro im Jahr rechne.